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„Stalinismus aufarbeiten“

■ Der Historiker Jürgen Kuczynski beklagt die „weißen Flecken“ in der Geschichtsschreibung der DDR

Berlin (ap/dpa) - Einer der angesehensten Historiker der DDR, Jürgen Kuczynski, hat die Aufarbeitung des Stalinismus im Lande angemahnt. Es gebe in der Geschichte des Landes viele „weiße Flecken“, die Farbe bekommen müßten, sagte er am Freitag. Es habe in der DDR zwar nicht die Verbrechen gegeben wie in anderen sozialistischen Ländern, dennoch seien Menschen verfolgt worden und umgekommen, wie etwa der frühere Chefredakteur des 'Neuen Deutschlands‘, Lex Ende, der in einem Bergwerk gestorben sei. Kuczynski verwahrte sich gegen die Ansicht, daß es in der Geschichtsschreibung der DDR keine weißen Flecken gebe. Die DDR dürfe sich nicht vor kontroverser Diskussion und Selbstkritik fürchten. Lenin hätte jede Organisation, die Beschlüsse einstimmig fasse, auseinandergejagt, weil sie entweder aus Dummköpfen oder aus Feiglingen bestanden hätte. Wenn intelligente Menschen darüber berieten, wie man etwas besser mache, müsse es doch Meinungsverschiedenheiten geben. Unter diesem Gesichtspunkt sei das Zentralkomitee der SED „eine lächerliche Institution“ gewesen.

Unterdessen hat der Chef der DDR-Jugendorganisation FDJ, Eberhard Aurich, seinen Rücktritt angekündigt. Aurich sagte in einem Interview für die Freitagausgabe der 'Jungen Welt‘, eine „neue FDJ geht nicht ohne neue Leute. Sie braucht neue Gesichter, neue Köpfe, neue Ideen.“ Er habe ebenso wie weitere führende Mitglieder vor, der 13. Tagung des Zentralrats der Organisation am 24. November seinen Rücktritt vorzuschlagen. Aurich ist 1. Sekretär dieses Rates. Auf einer Kundgebung der FDJ am Donnerstagabend in Ost-Berlin war Aurich heftig kritisiert und massiv zum Rücktritt aufgefordert worden.

Ebenfalls am Donnerstag kündigte die Nachrichtenagentur 'adn‘ an, das Justizministerium habe nun einen Entwurf für ein neues politisches Strafrecht vorgelegt. Danach soll zukünftig nur noch Rassenhetze und faschistische und gewaltverherrlichende Äußerungen unter Strafe gestellt werden. Grundsätzlich sollen politische Konflikte zukünftig auch mit politischen Mitteln gelöst werden. Gewaltloser Widerstand dürfe nicht länger kriminalisiert werden.

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