: Bonner Botschaft besetzt
Bonn, 10.58 Uhr, gestern früh: Zwei Personen klingeln am Eckhaus Burbacher Str. 2 und verschwinden im zweiten Stock. 10.59 Uhr: Vom Regierungsviertel kommend fahren zwölf in weißes Leder gehüllte Ordnungshüter auf bayrischen Motorrädern an der Ecke zur Reuterstraße vorbei. Auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig bewegt sich fünfzehnfach schwarzes Leder in entgegengesetzer Richtung, wartet einen Augenblick und betritt nach kurzem Kontakt über die Gegensprechanlage das Haus.
In der Burbacher Str. 2 befindet sich die Botschaft der Republik El Salvador. Wiederum eine Minute später stehen etwa 40 Leute vor dem Haus - nervöse Blicke zum Balkon über einer griechischen Grillpinte. Um 11.03 Uhr öffnet sich eine Balkontür, zwei Transparente werden über die Brüstung drapiert: „FMLN“ und „Stopp dem Völkermord des faschistischen Arena-Regimes. Stoppt die Bombardierung der Zivilbevölkerung.“ Jubel von unten und noch ein Transparent: „Sieg dem Volksaufstand in El Salvador, viva el FMLN.“ Derweil wird innen ein Telefaxgerät in Gang gesetzt, die BesetzerInnen schicken dem salvadorianischen Präsidenten Alfredo Cristiani einen spanischen Text mit der Aufforderung, sofort die Bombardierung der Zivilbevölkerung einzustellen, nach politischen Verhandlungslösungen zu suchen sowie die Arbeit des IRK und anderer internationaler humanitärer Organisationen zu respektieren. Die Bundesregierung wird aufgefordert, „die Arena-Diktatur nicht länger ökonomisch zu stützen und die weitere Auszahlung von jährlich 60 Millionen Mark umgehend zu stoppen“. Der Botschafter ist unabkömmlich, er hat einen Termin im Auswärtigen Amt. Also wird einem Botschaftsrat die Erklärung vorgelesen, während die Sekretärin weiter in die Tasten haut. Die Aktion der Mitglieder bundesdeutscher Solidaritätsgruppen verläuft friedlich, „wir haben nur etwas den Teppich verdreckt“.
11.11 Uhr: Tatütata: Die Ordnungshüter, diesmal in vertrautem Grün, verhalten sich ebenso friedlich und achten auf störungsfreien Kreuzungsverkehr. Nach einer halben Stunde ist die Aktion beendet. Auf dem Balkon erscheint die Sekretärin, entknotet das Transparent und geht zurück an die Arbeit.
eks
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen