Brandbomben auf San Salvadors Zivilbevölkerung

■ Riesige Brände in Wohnvierteln der Hauptstadt / Die Guerilla hat verlorene Stellungen wiedererobert / Weltweite Empörung über Massaker im Jesuitenkonvent / Hat Cristiani die politische Kontrolle an äußerste Rechte verloren? / Keine genauen Angabern über zivile Opfer

San Salvador (afp/taz) - Die salvadorianische Luftwaffe hat am späten Donnerstag abend die nordöstlichen Vororte der Hauptstadt unter intensiven Beschuß genommen und dabei offenbar neuartige Brandbomben verwendet. Die Luftangriffe richteten sich nach Beobachtungen ausländischer Journalisten gegen die Vororte Zacamil und Mejicanos. Die Raketen enthielten nach Ansicht von Experten offenbar Phosphor. Sobald sie aufschlugen, entzündeten sich riesige Feuer mit einer Brandfläche von mehreren hundert Metern.

Der amerikanische Botschafter in San Salvador, William Walker, gab am Donnerstag bekannt, die Regierung von Staatschef Alfredo Cristiani habe von den USA Spezialmunition gefordert. Walker machte über Umfang, Art und Erfüllung der Forderung keine Angaben. Cristiani sagte, er habe die USA nur um Tränengas gebeten.

Die Massenflucht der EinwohnerInnen aus den umkämpften Gebieten dauert unvermindert an. Die FMLN-Guerilla sprach von einer „schwarzen Nacht für die Zivilbevölkerung“. Sie behaupteten, aus Honduras verlegte US-Piloten seien an den Bombardierungen der Hauptstadt beteiligt gewesen. Von unabhängigen Kriegsbeobachtern konnte diese Behauptung bislang nicht bestätigt werden.

Die FMLN beschuldigte die USA am Donnerstag, für die Entsendung einer guatemaltekischen Eliteeinheit von 126 Mann nach El Salvador verantwortlich zu sein, die seit Mittwoch die Regierungstruppen im Kampf gegen die Rebellen unterstützt. Damit wollten die USA nach Ansicht einer FMLN -Kommandantin die Intervention der mittelamerikanischen Regierungen im salvadorianischen Bürgerkrieg erreichen. Die FMLN sprach von einer „sehr ernsten Situation“, da die Ausweitung des Konfliktes auf Mittelamerika nicht ausgeschlossen sei.

Auch Soyapango am östlichen Stadtrand und Zacamil im Norden von San Salvador lagen am Donnerstag unter ständigem Bombenhagel. In Zacamil brannten ganze Straßenzüge lichterloh. Die FMLN erklärte, sie sei zu einem Waffenstillstand bereit unter der Bedingung, daß sie dabei die eroberten Positionen in San Salvador behalte. Unterdessen wurde in Washington bekannt, daß der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Joao Baena Soares, vermitteln wird, um den Konflikt zu beenden. Cristiani und die Guerilla haben ihn darum ersucht.

Der Mord an sechs Jesuiten und zwei Frauen in El Salvador hat unterdessen internationale Empörung ausgelöst. Im Jesuitenkonvent in San Salvador wurden in der Nacht zum Donnerstag sechs Patres, darunter der Universitätsrektor und führenden Vertreter der Theologie der Befreiung, Ignacio Ellacuria, sowie die Köchin des Klosters und ihre 15jährige Tochter auf bestialische Weise umgebracht. Das Gebäude, in dem das Massaker passierte, war seit Mittwoch von Armee -Einheiten umstellt.

Im Zusammenhang damit erklärte ein westlicher Diplomat, Cristiani habe offensichtlich die politische Kontrolle verloren, der rechte Flügel der ARENA-Partei sei an der Macht.

Zahlen über Opfer der erbitterten Kämpfe liegen nur völlig lückenhaft vor. Die US-Botschaft, die keinerlei Angaben über Zivilisten machte, sprach von 784 gefallenen Kämpfern und 800 Verwundeten.

Die EG hat für medizinische Soforthilfe 600.000 Mark zur Verfügung gestellt. Ärzte und Medikamente würden nach El Salvador entsandt. Tagesthema Seite 3

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