: Streik bröckelt ab
■ UdSSR-Regierung lenkt ein: Mehr Zulagen und keine Strafen für Streikende / Doch Kumpel wollen Ergebnis schriftlich
Moskau (dpa) - In einigen Gruben des nordrussischen Kohlereviers von Workuta wurde am Sonntag die Arbeit wieder aufgenommen, nachdem Ministerpräsident Nikolai Ryschkow den Bergleuten wirtschaftliche Zusagen gemacht hatte. In fünf der 13 Bergwerke werde allerdings vollständig und in weiteren zweien teilweise weitergestreikt, sagte Waleri Korjagin, Mitglied des Stadt-Streikkomitees von Workuta. „Eine Konferenz der Streikkomitees hat mehrheitlich beschlossen, den Streik fortzusetzen, bis die Zusagen schriftlich in Workuta vorliegen und bis die Gerichtsentscheidungen zurückgenommen werden“, erklärte Korjagin.
Das Oberste Gericht der Russischen Föderation hatte den Ausstand in Workuta für illegal erklärt. Das Oberste Gericht der Autonomen Komi-Republik habe darüber hinaus wegen Ausfällen in der Kohleförderung Strafgelder gegen Streikende verhängt. Nach Angaben Korjagins sollen für jeden Streiktag seit dem Gerichtsurteil am vergangenen Freitag einfache Arbeiter 200 und Mitglieder der Streikkomitees 1.000 Rubel (rund 600 bis 3.000 Mark nach dem offiziellen Kurs) zahlen. „Die Grube Jur-Schor protestiert mit einem Hungerstreik gegen dieses Urteil“, sagte Korjagin. Nach Angaben von Nikolai Terechin, Sprecher der Arbeiter-Kommission aus Workuta, habe Ryschkow einen Verzicht auf die Strafgelder zugesichert.
Unter den wirtschaftlichen Zusagen des Ministerpräsidenten sei den Worten Terechins zufolge auch eine Verbesserung des „Nordzuschlags“ für die Arbeiter in dem Revier am Polarkreis. Der monatliche Zuschlag kann das Doppelte des Grundlohns von rund 200 Rubel (600 Mark) betragen.
Ryschkow sagte nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur 'Tass‘ die Einsetzung von ständigen Sonderkommissionen mit Vertretern von Regierung und Arbeiterkomitees zu, die sich mit wirtschaftlichen und sozialen Forderungen der Bergleute in verschiedenen Revieren der UdSSR befassen sollen. Die Kumpel von Workuta hatten am 25. Oktober einen im Sommer ausgesetzten Arbeitskampf wiederaufgenommen, weil mit der Regierung erzielte Vereinbarungen nur unvollständig erfüllt worden seien. „Wir warten jetzt darauf, daß wir die neuen Zusagen schriftlich bekommen. Die Arbeiter in Workuta glauben niemandem mehr“, betonte Terechin.
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