: Demonstrationen mit und ohne Bruch
■ Tod der Göttinger Studentin führt in mehreren Städten zu Spontandemos / DemonstrantInnen frühzeitig abgedrängt / Hamburger Stadtteilzentrum „Rote Flora“ kritisiert, daß bei kleinen Geschäften Scheiben eingeschlagen wurden
Nach dem Tod der Göttinger Studentin fanden in Hamburg, München, Bielefeld und West-Berlin Demonstrationen statt. 800 bis 1.000 Menschen waren es am Berliner Kurfürstendamm, begleitet wurden sie von einem starken Polizeiaufgebot. Während hier „keine besonderen Vorkommnisse“ gemeldet wurden, hatten zuvor am Kottbusser Damm in Kreuzberg rund 200 Vermummte Schaufensterscheiben eingeschlagen und Neuwagen in einer Autohandlung zerstört.
In München waren es am selben Tag 80 DemonstrantInnen. Dort bedurfte es für die Polizei gar nicht erst eines besonderen Anlasses, um die Gruppe in eine Seitenstraße abzudrängen. In Zweierreihen mußten die DemonstrantInnen dann aus dem Kessel heraustreten und ihre Personalien feststellen lassen.
Am schnellsten hatte auf die Göttinger Ereignisse die Hamburger Szene reagiert. Noch in der Nacht trafen sich rund 200 SpontandemonstrantInnen im Stadtteilzentrum „Rote Flora“ und zogen durchs Schanzenviertel Richtung Reeperbahn, wo man hoffte, nicht nur DDR-BesucherInnen, sondern auch „Wessis“ zu finden. Schon auf dem Weg klirrten die Scheiben bei einer Reihe kleiner Geschäfte, ebenso die eines Cafes - obwohl dahinter BesucherInnen saßen. Glasbruch auch im Polizeirevier Lerchenstraße. Während das panzerglasgeschützte Untergeschoß nicht nachgab, gingen im ersten Stock die Scheiben zu Bruch. Als die ersten Streifenwagen auffuhren, löste sich die Demonstration auf.
Eine Stunde später mischte die Polizei eine Fete im Stadtteilzentrum „B5“ in der Brigittenstraße auf und nahm 24 Pesonen fest, davon 17 StudentInnen, die aus der gesamten Bundesrepublik zu einer Humanistikfachtagung nach Hamburg gekommen waren. Sie hatten zufällig die Demoroute gekreuzt und waren anschließend von einem Streifenwagen bis in das Stadtteilzentrum verfolgt worden.
Heftigen Unmut löste der Ablauf der Demonstration im Schanzenviertel aus. Das Plenum des Stadtteilzentrums „Rote Flora“ zeigte zwar Verständnis für die Aktion gegen die Polizeistation, aber: „So nicht“, heißt es in einer Erklärung des Plenums, und weiter: „Was hier passiert ist, wirft uns in unserer Arbeit, der Arbeit eines Stadtteilzentrums für alle, weit zurück, denn wir diskutieren, frieren und malen hier für den Traum vom Miteinander der hier lebenden Menschen... Es kann uns nicht darum gehen, daß die Auseinandersetzung über Polizeiübergriffe auf dem Rücken von Gewerbetreibenden im Viertel ausgetragen wird.“
dpa/Peter Müller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen