Die „Fünf Weisen“ raten oft daneben

■ Die Trefferquote des Sachverständigenrates zur Wirtschaftsentwicklung ist gering

Bonn (dpa/taz) - Der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ (SVR) ist ein unabhängiges Expertengremium zur wirtschaftspolitischen Beratung der Bundesregierung. Die sogenannten Fünf Weisen werden per Gesetz aus dem Jahr 1963 für die Dauer von fünf Jahren durch den Bundespräsidenten berufen. Sie dürfen weder Bundes- oder Landesregierungen noch Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisationen angehören. In ihrem Jahresgutachten untersuchen die fünf Professoren (meistens waren die „Weisen“ Männer), inwieweit die wirtschaftspolitischen Ziele Wirtschaftswachstum, Preisstabilität, hoher Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht verwirklicht werden.

Sonderlich hoch ist die Trefferquote der Sachverständigen in der Vergangenheit nicht gewesen. „Auch das Jahr 1988 ist ein Jahr der Prognoseirrtümer geworden“, bekannte der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel bei der Übergabe des letztjährigen Berichts. Das Wachstum des Bruttosozialprodukts erwies sich sehr viel höher als erwartet, ebenso die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen und die Exporte. Nur die Zahl der Arbeitslosen wurde richtig getroffen - obwohl das Wirtschaftswachstum unterschätzt worden war.

„Jenseits der bekannten Schwierigkeiten gesamtwirtschaftlicher Vorhersagen“, so Hickel, „gibt es jedoch systematisch-theoretische Gründe für die mangelnde Trefferquote.“ Zum einen gingen die Experten davon aus, daß ein stetiges Wirtschaftswachstum realisierbar sei, obwohl dieses Wachstum faktisch einen zyklischen Charakter habe. Zum anderen werde die Investitionsdynamik infolge höherer Unternehmensgewinne überschätzt. Unterschätzt wiederum werde der Einfluß von Gewinnerwartungen. Hier sei der SVR Opfer seiner Theoriekonstruktion von der sich selbst stabilisierenden Marktwirtschaft geworden: denn während die Gewinne deutlich zunahmen und - wie vom SVR selbst festgehalten - „lehrbuchhafte Angebotsbedingungen“ zu verzeichnen waren, blieben die Erwartungen auf eine entsprechende Ausweitung der Investitionen und damit verbunden auf eine deutliche Zunahme der Arbeitsplätze unerfüllt.

diba