: Nordseevergifter an die Kette gelegt
Greenpeace blockiert Gifttanker „Wedau“ im Duisburger Hafen / Protestaktion gegen Müllverbrennung auf See / Töpfer entscheidet / Polizei ließ Greenpeace-Aktivisten gewähren / Umweltbundesamt weist auf Alternativen zur Giftmüllverbrennung auf der Nordsee hin ■ Aus Duisburg Walter Jakobs
Die einen kamen mit dicken Ketten und Transparenten über die Uferböschung, die anderen mit zwei Schlauchbooten. An Bord hatten sie zwei Rettungsinseln, die wenige Minuten später schon an Bug und Heck des Gifttankers „Wedau“, der ohne Fracht im Duisburger Hafen lag, festgemacht waren. Kaum fünf Minuten nach Beginn der Aktion lag die „Wedau“ am Montag um elf Uhr an der Kette. 40 Greenpeace-Aktivisten aus Holland, Belgien, Dänemark und der Bundesrepublik freuten sich über den erfolgreichen Auftakt ihrer Aktion.
Das Spezialtankschiff „Wedau“ gehört der „Gesellschaft für Verbrennung auf See“. Über diese Firma wird ein großer Teil der bundesdeutschen Hochseeverbrennung von Giftabfällen abgewickelt. Die „Wedau“ nimmt den hochgiftigen flüssigen Abfall aus den Tanklagern in Mannheim und Essen auf und bringt die giftige Fracht über den Rhein zum Verbrennungsschiff „Vesta“ in Emden. Die eigentliche Verbrennung findet dann nordwestlich von Helgoland statt. „Untersuchungen belegen“, so Carsten Redlich von Greenpeace am Montag, „daß die Gifte aus der Seeverbrennung über die Fische in die Nahrungskette gelangen.“
Heute treffen sich in Bonn die Umweltminister der Länder mit Bundesumweltminister Klaus Töpfer, um über die Zukunft der Giftmüllverbrennung auf See zu entscheiden. Greenpeace will mindestens bis zu dieser Bonner Entscheidung die Blockade aufrechterhalten. Das geschieht inzwischen unter den Augen der Polizei, die schon wenige Minuten nach Beginn der Aktion vor Ort auftauchte. Vorerst, so der Abschnittsleiter der Wasserschutzpolizei Hellmut Kupsch, „machen wir erst mal nichts. Wir haben kein Interesse irgendwelchen Wirbel zu veranstalten. Wir warten ab.“ Das fällt der Polizei um so leichter, als die Schiffseigner nicht die Absicht haben, den Liegeplatz vor Ende der Bonner Konferenz zu verlassen. So forderte die Polizei lediglich die zahlreichen Journalisten auf, ihre Autos von der schmalen Uferstraße zurückzuziehen. Ansonsten herrschte zwischen allen Beteiligten eine entspannte Atmosphäre, denn, so Polizeimann Kupsch, „der Umweltschutz gehört inzwischen ja auch zum Schwerpunkt unserer Arbeit als Wasserschutzpolizei“.
Nach Informationen von Greenpeace wurden im letzten Jahr 50.000 Tonnen Giftfracht aus der BRD auf hoher See verbrannt. Zur Zeit liegen Anträge für weitere 38.000 Tonnen vor. Nach einem Bericht des Umweltbundesamtes an Umweltminister Töpfer, den Greenpeace am Montag der Presse auszugsweise übergab, sind etwa 15.000 Tonnen der beantragten Menge „als dioxinhaltig zu betrachten“. Dabei könnte mit der Hochseeverbrennung nach Ansicht des Umweltamtes sofort Schluß gemacht werden. Die Technik dafür stünde zur Verfügung. „Entscheidend ist die Getrennthaltung vom Abfallerzeuger bis zum Verwerter und die Nutzung der Substitutionsmöglichkeiten. Die Beendigung ist damit in erster Linie ein Vollzugsproblem der Länder“, meint das Umweltbundesamt. Aus Schreiben des für die Verbrennungsgenehmigung zuständigen „Deutschen Hydrographischen Instituts“ an die „Gesellschaft für Verbrennung auf See“ (GVS) geht im übrigen hervor, daß die GVS auch Hunderte von Tonnen verbrannt hat, für die nie Genehmigungen vorlag.
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