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Prager Frühling im Winter

■ Größte Demonstration seit 1968 / Meldung über Martin Smids Tod falsch / Regierungschef empfing Opposition / KP-Chef Jakes kündigt begrenzte Reformen an

Prag (afp) - Zu der größten Kundgebung gegen die Führung des Landes seit dem Prager Frühling haben sich am Mittwoch nachmittag über 250.000 Menschen auf dem Wenzelsplatz in Prag versammelt. Vaclav Havel stellte der Menschenmenge über Lautsprecher das neue „Bürgerforum“ zur Koordinierung der Opposition vor.

Bereits am Dienstag hatten über 200.000 Menschen auf dem Wenzelsplatz mehr Demokratie und den Rücktritt von KP-Chef Jakes gefordert. Dieser kündigte im Fernsehen am Dienstag abend begrenzte Reformen an, verurteilte aber erneut die Massenkundgebungen und Streiks. Ministerpräsident Adamec empfing am Dienstag erstmals eine Delegation von Vertretern der Opposition. Nach der Unterredung mit Adamec hatten Mitglieder der Opposition der versammelten Menschenmenge berichtet, Adamec habe versichert, die Polizei werde nicht mehr gegen Demonstranten vorgehen.

Auf seiner ersten öffentlichen Pressekonferenz dementierte das „Bürgerforum“ am Mittwoch den Tod des Studenten Martin Smid bei der Demonstration am Freitag. Die von der unabhängigen Agentur VIA verbreitete Nachricht vom Tod des Studenten Smid habe sich als falsch erwiesen. Ihr Autor, Petr Uhl, Mitarbeiter der Bürgerrechtsbewegung „Charta 77“ und der Agentur VIA, sei „Opfer einer Fehlinformation“ geworden.

Uhl befand sich am Mittwoch weiter in Haft. Er wird beschuldigt, durch Verbreiten einer alarmierenden Nachricht den „Interessen der Republik im Ausland“ geschadet zu haben. Über Smids angeblichen Tod war er von einer Freundin des Studenten informiert worden. Ob diese ihn absichtlich oder unwissentlich falsch unterrichtet hatte, konnte das „Bürgerforum“ zunächst nicht sagen. Die Behörden hatten den Tod des Studenten sofort dementiert. Die Gruppe appellierte an Michail Gorbatschow, die Intervention des Warschauer Paktes 1968 in der CSSR zu verurteilen, da dies der gegenwärtigen Führung „alle Legitimität“ entziehen würde. Tagesthema auf Seite 3

Siehe auch Kommentar auf Seite 8

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