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500 Betriebe in der CSSR sind für den Streik

Die Oppositionbewegung mobilisiert erfolgreich für den Generalstreik am Montag / Sympathiekundgebungen und Unterstützung kommen auch aus Betrieben, die nicht streiken werden / Alexander Dubcek gründet eine Bürgerbewegung in der Slowakei  ■  Aus Prag Katerina Wolf

Als eine Abordnung der ArbeiterInnen des Maschinenbaukonzerns CKP auf der allabendlichen Demonstration am Donnerstag auf dem Prager Wenzelsplatz auftauchte, wurde sie mit donnerndem Applaus von den über 300.000 DemonstrantInnen begrüßt. Denn mit dem Aufmarsch der ArbeiterInnen zeichnet sich ab, daß der für Montag ausgerufene Generalstreik doch noch klappen kann. Hielten sich bisher die ArbeiterInnen von den Demonstrationen der StudentInnen und Oppositionsgruppen zurück, so hat sich jetzt eine Trendwende eingestellt: Die Belegschaften von mehr als 500 Industriebetrieben haben sich inzwischen zum Generalstreik entschlossen.

Selbst aus Betrieben, wo keine Streiks stattfinden werden, kommen Symphatiebekundungen. Da die Stahlkocher in Hladno aus technischen Gründen ihre Anlage nicht stillegen können, hat sich eine Gruppe junger Arbeiter entschlossen, mit einer Sonderschicht die Geldfonds der studentischen Streikkomitees zu unterstützen.

Der für Montag geplante landesweite Generalstreik wird voraussichtlich auch dann stattfinden, wenn es in der Parteispitze zu personellen Veränderungen kommt. Da von solchen kosmetischen Korrekturen nach Ansicht des Bügerforums keine grundlegenden Veränderungen zu erwarten sind, müsse die Bevölkerung weiterhin ihren Wunsch nach Freiheit zum Ausdruck bringen. Das erklärte der Dramatiker Vaclav Havel, der immer häufiger als Führungsfigur auf den Protestkundgebungen autritt. Der Druck auf die Parteiführung, so Havel, solle weiter wachsen.

Doch noch versuchen die Prager GenossInnen alles, um die Volksbewegung zu bremsen. Für Unruhe sorgte am Donnerstag beispielsweise das Gerücht, bewaffnete Kräfte hätten das staatliche Fernsehen besetzt. Wie eine Journalistin auf der Pressekonferenz des Bürgerforums mitteilte, sicherten Polizisten die technische Abteilung der Sendeanstalt, nicht aber die Nachrichtenstudios. Ein zunächst geplanter Streik der Fernsehangestellten sei schließlich abgelehnt worden. Er würde dazu führen, hieß es in der Begründung, daß parteitreue MitarbeiterInnen die Arbeit übernähmen.

Anders als am Mittwoch wurden trotz dieser Behinderung am Donnerstag Ausschnitte vom Wenzelsplatz gezeigt. Und kurz tauchte sogar Alexander Dubcek auf, als er seine Rede in Bratislava hielt. Nach Prag, wie es ursprünglich angenommen wurde, kam er nicht. Er zog es vor, in Bratislava eine Bürgerbewegung, dem Bürgerforum in Prag ähnlich, zu gründen.

Wie die Regierung so hüllen sich auch die Führer des Bürgerforums in Schweigen über den Fortgang der Gespräche. Denn nach dem Gespräch zwischen Ministerpräsident Adamec und VertreterInnen der Opposition drang keine Silbe über die Lippen Vaclav Havels. Die Aufforderung, eine Beurteilung der derzeitigen Situation in der Parteispitze zu geben, wies er ebenso zurück, wie den Wunsch nach einer Einschätzung der weiteren politischen Entwicklung in der CSSR.

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