Fußball, bloß keine Politik!

■ Die 'Ostseefront‘ aus Rostock mischte sich am Samstag in der Ostkurve bei Werder ein

Am lautesten jubelten die Fans des FC St. Pauli am Samstag ums Weser-Stadion. Ihre Mannschaft hatte 1:2 verloren. Fast so laut die Werder-Fans, vor allem, weil das Haßobjekt aus München in Nürnberg vier Tore kassiert hatte. Und mittendrin Wolle und seine Freunde von der Ostseefront: Fans des FC Hansa Rostock. Sie ahnten noch nicht, daß die Hanseaten 2:1 über Wismut Aue auch erfolgreich waren. Und wegen dieses Spiels war auch nur ein kleiner Teil der Ostseefront („So gut dreißig Mann sind wir immer“) in Bremen.

„St. Pauli bleibt in der Bundesliga“, dröhnt ein Schwarz -Lederbejackter mit braun-weißer Wolljacke auf dem Kopf, „nich‘, du Werder-Kutte?“ Aber Hansa spielt nicht in grün -weiß, und die Ostsee liegt nicht am Weserstadion. „bist wohl falsch gelagert“, Wolle ärgert sich. „Ach von drüben?“ Der Dialog kam nicht zu

stande, der Hamburger Trupp hatte es eilig. Und einige sahen nach schlechtem Gewissen aus, wie am falschen Zug, wo doch in Göttingen die Demo lief.

Den Zusammenhang erklärt und doch nicht verstanden: „Ne, bei uns hat Fußball nichts mit Demos zu tun.“ Ja, gegen die Partei wären sie alle. In der SED drin? „Nee.“ Wolle ist ganz Abscheu. Zwei weitere nicken. Auf dem Weg zur Werderhalle treffen wir noch zwei Frontler beim Bier in der Kälte. „Ja der Conny ist auf der Werft, der ist noch in der Partei.“ Aber Conny gehört auch nicht direkt zur Front.

„Nichts über Politik hier beim Fußball.“ Die Trennung ist deutlich. Ich frage weiter: „Aber Ihr habt doch auch Skins unter den Fans?“ - „Die gibts überall, bei euch doch auch. Die pöbeln. Aber die reden nicht über Politik.“ Conny wiederspricht: „Doch, so wie alle jetzt reden.“ Die letzte Woche aus Rostock hier waren, so sagt er, hätten auch Sticker mit rübergebracht. Mit Aufschriften wie „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.“

Das nächste Bier läßt alles wieder stocken. „Es ist super hier, echt Wahnsinn.“ Wolle meint das Bier, Conny denkt an die Fans in der Ostkurve: „Als hätten wir immer dazugehört.“ Noch besser haben ihm die Hamburger Fans

gefallen: „Wie die Pauli angemacht haben, bis zur letzten Minute.“

Also zum Fußball. Der ist besser bei euch, meinen sie. Schneller. Werder spielt technisch super. Hansa Rostock, das ist dann wohl eher wie St. Pauli. Uns fehlt aber der Vergleichsmaßstab. Am 17. Februar, das wußten wir aber am Zapfhahn noch nicht, spielt Werder in Rostock.

Dann zu den Fanclubs drüben. Ja, außer den Skins sind die noch eine halbe Generation zurück. Sie tragen noch Kutten, Jeansjacken oder auch Bomberjacken mit Vereins-und Clubemblemen vollgenäht. Und sie schleppen riesige Fahnen mit - wie letzte Woche sogar nach Bremen. Sie treffen sich im Club einer Jugendorganisation. Und auch in einer Kneipe, „nennen wir aber nicht, sonst wird die zu voll.“

Eine traurige Erinnerung daran, daß in Rostock in den letzten zehn Jahren mehr private Kneipen schlossen als staatliche oder Clubs eröffneten. „Wir verteidigen, was wir haben“, Wolle wird laut, „is‘ ja nicht viel“. Dazu gehört die Ostsee-Front. Unter Beschuß der Parteipresse waren sie, Hooligans wurden sie beschimpft, „aber auf russisch, nicht auf englisch“. Wolle lacht. Die englischen Fans sind ihm zu brutal, „das muß doch noch alles

mit Sport zu tun haben.“

Außer der Ostsee-Front gäbe es wenig Grund, zurückzufahren. „Naja, die Reformen“, Conny will abwarten, „auf der Werft siehst nichts davon, alles die alten Gangster.“

„Wir kommen wieder“, heißt der Abschiedsgruß, „am 16. Dezember gegen Nürnberg“. Rostock spielt dann nicht. Dieter Mützelbur