: Grüne redeten lieber über die DDR
■ Krise des grünen Landesverbandes vertagt / Vorstandswahl ohne Kandidatinnen
Eigentlich sollte es um die innere Verfassung des Bremer Landesververbandes der Grünen gehen, als sich ca. 120 Mitglieder am Samstag trafen. Umschreibungen für die „Krise“ gibt es hinreichend, Nachwahlen von Vorstands- und „Bundeshauptausschuß„-Vertretern standen auf der Tagesordnung. Eigentlich, so haben es die Mitglieder beschlossen, sollen zwei Frauen und ein Mann als „Vorstandssprecher“ die Grünen in der Öffentlichkeit repräsentieren. Bisher waren zwei der drei Männer, die ausschieden. Für ihre Posten fand sich wieder keine Kandidatin.
Da machten die Grünen aus der Not eine Tugend und luden Sprecher des Rostocker „Neuen Forum“ ein - immerhin kam es so zu einer informativen Versammlung (vgl. Interview Seite 17). Ralf Fücks, Bremer im Bundesvorstand der Grünen, appellierte, die aktuelle Entwicklung in Osteuropa auch als eigene Chance in der Bundesrepublik zu nutzen. Er finde es merkwürdig, daß die Reaktionen der Grünen nur durch „Angstreflexe“ bestimmt seien statt durch „Freude und Ermutigung“. Die aus Rostock eingeladenen Vertreter des „Neuen Forum“ berichteten von ihrem schwierigen Ziel, „den Sozialismus lebbar zu machen“. Die Mehrheit der Bevölkerung sei „übersatt von dem Begriff, wollen es nicht mehr hören“. Einer der Grünen erinnerte die Versammlung daran, wie schwer man sich im Europa-Wahlkampf getan habe, weil man in Europa nur die Macht der Konzerne gesehen habe. Aber: „Es gibt nur die Chance, dem Kapitalismus etwas beizufügen.“
Die Grünen wollen bei konkreten Ökologie-Projekten mit der DDR kooperieren, und sie begannen eine Geldsammlung für technische Druckmöglichkeiten für das Rostocker Neue Forum. In einer beinahe einstimmig angenommenen Resolution fordern sie, die Entwicklung in der DDR dürfe „nicht von außen gestört“ werden, die „Frage der Wiedervereinigung“ müsse „in erster Linie dem souveränen Votum der DDR-BürgerInnen“ unterliegen. Die Unterstützung durch die Bundesrepublik solle „rasch“ und ohne Bedingungen geleistet werden. In einer neuen friedenspolitischen Diskussion müsse es um die Entmilitarisierung beider deutscher Staaten und den „Rückzug der Supermächte aus der BRD und der DDR“ gehen.
Die Diskussion der eigenen Lage vertagten die Grünen. Trotz des Appells der einzig übrig bleibenden Vorstands-Sprecherin Cäcilie Eckler-von Gleich, die Ansprüche an dieses Amt nicht weiter hochzuschrauben, wollte niemand kandidieren. Vorstandsbeisitzer Volmar Leohold, bisher Beisitzer im Vorstand, erbarmte sich schließlich: Aus „nackter Solidarität mit Cäcilie“ kandiere er für einen Sprecher -Posten. Und wurde glatt gewählt. K.W
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen