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Gladbach lacht sich zwei Punkte an

Bor. Mönchengladbach - 1. FC Kaiserslautern 3:1 / Der Weg zum Erfolg führt durchs Pantoffelkino  ■  Aus Gladbach Ernst Thoman

Ralf Holtmeyer hat nicht die Sorgen derer vom Bökel- oder Betzenberg. Doch am vergangenen Montag gegen Mitternacht in kleiner Runde teilte der seit zwei Ruderjahren niederlagenlose Achter-Trainer beim vorletzten Bier gedanklich das Los der Kollegen aus der Lederabteilung. Als Gladbachs Wolf Werner in jener Nacht, wie wochenlang zuvor, in der ersten Traumphase Bälle für seine Zu-Null-Stürmer eigenfüßig ins Tor drosch, wollte Gold- und Weltmeister Holtmeyer Antwort auf die regionale Daseinsfrage in Kaiserslautern und Gladbach wissen: „Was kann ein neuer Trainer denn wirklich anders machen? Eigentlich nichts.“

Es wurde die letzte Nacht für Wolf Werner im angestellten Trainerverhältnis. Borussia trennte sich im 25. Jahr zum ersten Mal von seinem Fußballehrer. „Weil es gegen Erfolglosigkeit kein Gegenargument gibt“, packte der Mathematiklehrer am andern Tag gefaßt den Koffer. Kollege Holtmeyer hatte in dieser Nacht im Neigenbier doch noch einen tiefen Grund aus der Kiste der Alltagspsychologie gekramt: „Fußballer sind wie Vögel auf dem Baum. Wenn ein neuer Trainer kommt, flattern alle aufgeregt von ihren Ästen.“

Für die Aufregung von Ast zu Ast sorgte Co-Trainer Gerd vom Bruch, ein Siegerländer mit Amateurerfahrung in Lüdenscheid und Olpe. Mit verbalen Motivationsschüben wie „Ein Erfolgserlebnis muß her“ oder „Wir müssen einfach nur mal wieder gewinnen“ sagte er nichts anderes als Wolf Werner und versetzte damit zumindest für einen Spieltag den Bökelberg. „Die Talfahrt ist beendet“, sprach der Neue nach dem 3:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern, dem ersten Erfolg nach acht Niederlagen. Ein Fan vom Bökelberg kommentiert das Koordinatensystem für den Tabellenletzten vor dem Anpfiff weit sinnfälliger: „Es kann nur aufwärts gehen, abwärts geht es nicht mehr.“

Eine andere Einfachheit erfolgreicher Gruppendynamik offenbarte Mittelfeldspieler Stefan Effenberg. Der zweifache Torschütze, der nach Niederlagen nächtens in der Altstadt mit Genußmitteln die Verdrängung suchte, sprach von einem ersten Tor, das in den letzten bitteren Monaten nur noch den Gegnern gelang: „Und dann war immer der Druck da, mit dem wir einfach nicht fertig wurden.“

Cheftrainer Gerd vom Bruch fand binnen weniger Tage das Ventil. Am Samstag vormittag vor der Mannschaftssitzung saß der Kader im Pantoffelkino. Ein Zusammenschnitt aus „Pleiten, Pech und Pannen“ wurde als Lösungsmittel präsentiert. Kapitän Hans-Günter Bruns: „Wir haben am Boden gelegen, aber diesmal vor Lachen.“ Die Stimmung hielt sich bis zum Anpfiff.

Gut möglich, daß auch die Einkaufspolitik der Borussia eine bessere wird. „Seit 1980“, rechnet Manager Grashoff vor, „haben wir 22 Spieler für 16 Millionen verkauft und dafür 57 Spieler eingekauft.“ Doch klangvolle Hochkaräter wie Mill und Matthäus, Borowka und Rahn, Drehsen und Frontzeck fanden keinen Nachhall. Nur Igor Belanov tönt noch dem Namen nach, Kolumnist Udo Lattek höhnte dann auch über die Transfersumme von einer Million: „Dafür gibt es keinen neuen, sondern nur einen gebrauchten Stürmer.“

Doch ein Blick in die Biographie des Nobodys Gerd vom Bruch verrät: Der Mann war, bevor er 1987 neben Wolf Werner rückte, 23 Jahre lang Einkäufer für die Eisenschmiede bei Krupp. Und er liebt Titel wie Haudegen, will in seiner Arbeit keine „demokratischen Elemente“ dulden, obwohl „wir schon miteinander reden werden“. Ansonsten will er nur „von Samstag bis Samstag denken und Realist bleiben“. Der Gladbacher Indikativ kann allerdings in den kommenden Wochen bis zur Winterpause zur tristen Wirklichkeit werden. Beim FC Bayern und zu Hause gegen die Abwehrarznei aus Leverkusen könnte wieder nur die Hoffnung nach dem ersten Tor helfen.

Vorerst gerettet hat sich Lautern-Trainer Gerd Roggensack nur vor einem englischen Wettbüro. Dieses hatte ihn auf die Nummer 1 der Abschußliste (Bochums Trainer Reinhard Saftig: „Makaber“) vor dem dann doch als ersten geschaßten Werner gesetzt. Vielleicht wird auch in Kaiserslautern die Fabel des Ralf Holtmeyer bald Wirklichkeit werden. Der Rudertrainer warnt aber: „Nachdem die Vögel von den Ästen geflattert sind, setzen sie sich wieder hin.“

GLADBACH: Kamps - Bruns - Huschbeck, Straka - Krauss, Effenberg, Spies, Neun (44. Stefes), Eichin - Belanow (86. Pflipsen), Criens

LAUTERN: Serr - Foda - Stumpf (67. Allievi), Friedmann Roos, Hartmann, Schupp, Dooley, Hoos - Kuntz, Labbadia

TORE: 1:0 Effenberg (51.Foul11m), 2:0 Effenberg (69.), 3:0 Belanow (74.), 3:1 Labbadia (88.)

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