: Frankfurts Floppigste Heißluft: FFH
■ Seit dem 15. November 1989 sendet das neugeborene hessische Privatradio Reklame für sich selbst HörerInnen als depperte Staffage
Dudelfunk für gehirnamputierte Nebenbeihörer“ überschrieb der Frankfurter 'Pflasterstrand‘ 1988 unsere Kassandrarufe über das von CDU und FDP angedrohte landesweite Privatradio unter den Auspizien des 'FAZ'-Oberen Hans Wolfgang Pfeifer (Motto: Man müsse im Radio nicht reden, wie Thomas Mann schrieb...). Inzwischen sendet Radio FFH (Funk und Fernsehen Hessen) rund um die Uhr (unter anderem Kassel 103.7 MHz, Frankfurt 102.2, Südhessen 105.0). Nach eigenen Angaben erreicht es praktisch alle im Lande.
Und was passiert uns, wenn wir's einschalten?
Der Tonbrei aus dösig mitsummbarer Musik, angepaßt an die laufend eingestreute Zeitansage, wird hauptsächlich für unzählige unsägliche Quizze unterbrochen. Deren Sinn: Namen und Adresse des Senders bekannt zu machen. HörerInnenbeteiligung wird großgeschrieben bei Radio FFH, dem es noch ziemlich an Werbung gebricht, für die wiederum Einschaltquoten gebraucht werdcen. Neben den Quizzen sind dafür die Musikwünsche bewährtes Mittel. Bei FFH nimmt sie kein Moderator in Empfang. Der Hofknicks hallt dumpf vom Fließ-, pardon: Tonband. „Ich bin Horst aus Frankfurt, höre FFH auf X-Komma-Ypsilon Megahertz, und ich finde euer Radio spitze, und mein Musikwunsch ist...“ Der dudelt dann durch, anschließend die penetranten Wegweiser für Autos zum nächsten Stau-Erlebnis.
Doch neben diesen Uralt-Tricks ließ man sich was Neues einfallen, was Menschliches - den Party-Service. Zum Feiern fehlten ja im letzten Moment immer die Eiswürfel oder die Wurst, und da genügt ein Einruf bei FFH und sofort... Vielleicht sind da allzuviele, gleich uns, zum Telefon gestürzt, um das beklemmende Fehlen von 750 Gramm Parmaschinken, extradünn geschnitten, anzuzeigen. Jedenfalls stellte FFH klar, es handele es sich um eine Party-Gast -Vermittlung samt Chips- und Eiswürfel-Tausch, nach dem Motto „Irgendjemand hat bestimmt noch 'n Käse im Schrank“.
Eine weitere Geheimwaffe ist Sex. „Wenn einer nicht weiß, wie er's anstellen soll, daß er im Bett ganz glücklich wird“: einfach anrufen. Unter dem Titel Zeit für Zärtlichkeit müht sich Erika Berger um die Kunst, den AnruferInnen genau das zu sagen, was sie sich selber auch schon immer sagen wollten. Quick ist die Berger, und bei Knautschlack-Reizwäsche blickt sie voll durch, aber die großen politischen Umwälzungen zur Zeit des FFH-Starts wurden ihr zum Verhängnis. Meldete doch eine Besucherin aus der DDR, wie ihr ein Westdeutscher fünfzig D-Mark Extra -Begrüßungsgeld in die Hand steckte mit der Bemerkung: „Dafür muß du auch was tun.“ Die Berger, behende: „Das hast du ihm bestimmt vor die Füße geschmissen.“ Die DDR-Frau, historisch-materialistisch: „Nee“, und attackierte statt dessen des Freiers plumpes Triebleben. Die Berger, japsend: „Aber nächstes Mal schmeißt du's ihm vor die Füße.“ Die Ausverkaufsbewußte dagegen: „Für zwanzig würd‘ ich's nicht machen.“ Die Berger, endlich aktuell: „Wirklich nicht!“
Dem antikolonialen Aufstand der Bürgerin, die nicht „wußte, was sich für eine Dame schickt“, verdanken wir die einzige Überraschung in der Staffagewelt der FFH -HörerInnenfreundlichkeit. Die Nachrichten, kurz und gleich zweimal vom Wetterbericht gekrönt, sind illustriert von Politiker-Sprechblasen, journalistisch blecherne Mitte mit leichter Rechtstendenz. Der Rest ist Magazinitis: Alles läßt sich überall einstreuen. Mit Absicht ist die Programm„struktur“ nichtssagend: Radiomarkt, Halbzeit, Treffpunkt, Autobahn, Dreamtime usf. Außer Bergers Sexshop, der Kirchensendung und - allerdings! - Ron Williams Satiresendung Ronsense soll alles aktuell-flexibel -fließend bleiben.
Wer steckt nun eigentlich hinter diesem tönenden Flop?
Drei Dutzend hessischer Zeitungsverlage stellen die Mehrheit der Gesellschafter: Neben der 'FAZ‘ sind 'Frankfurter Rundschau‘ und 'Bild‘ dabei. Die taz fehlt. Demokratischerweise hat jeder Gesellschafter eine Stimme, so daß der Axel-Springer-Verlag zum Beispiel den Minderheits -Gesellschafter Peter Maffay, der mit Klaus Lage, Ute Lemper, Albert Mangelsdorff in letzter Minute hinzukam, nicht kurzerhand finanziell zu erdrücken vermag. Der sozialdemokratische Kulturpolitiker Diether Dehm hatte diesen Deal zustande gebracht, freilich Hand in Hand mit dem Werbe-Hai Klaus-Jürgen Hoffie (FDP).
Der öffentlich-rechtliche Hessische Rundfunk grollt dem privaten FFH, gerichtlich will er dem Newcomer das Wort „Hessen“ streichen lassen. Dem kann FFH gelassen entgegensehen. Denn landesweit zu senden, vor allem ohne den lukrativen regionalen Werbekuchen im Rhein-Main -Ballungsgebiet herauszupicken und so den Zeitungen Konkurrenz zu machen, war gerade der Clou des hessischen Mediengesetzes und damit der FFH-Lizenz. Mit dem Grabenkrieg mag auch zusammenhängen, daß im FFH-Funkhaus am Rödelheimer Wasserturm überwiegend Leute aus - meist bayerischen Privatradios sitzen. Wenige nur kommen aus öffentlich -rechtlichen Anstalten, und nur ein „Abgeworbener“ stammt vom HR.
Was war nun mit der 'PflasterStrand'-Warnung vor gehirnamputiertem Nebenbeihören? Nach vielen Stunden gnadenlosen FFH-Genusses zweifeln wir weniger an der Apokalypse als daran, daß unsere Ohren noch an dem Körperteil festsitzen, der traditionell dem Denken dienen soll. Hätten nicht beste Vorsätze am Ursprung des Desasters gestanden, bräuchten wir das Ganze nicht einmal zu ignorieren. Doch wollte ein nachdenklicher, intellektueller Konservativer, der Wiesbadener Staatssekretär Alexander Gauland (CDU), indem er das Gesetz so zu schneidern half, daß das Privatradio den Zeitungsverlegern zufiel, damit eigentlich publizistischem Qualitätsverfall vorbeugen. Auf nichts Geringeres als die Frankfurter Schule und ihre Kritik an der „Kulturindustrie“ berief er sich für diese Strategie, das Schlimmste zu verhüten. Auf der anderen Seite wird sich Diether Dehm, SPD-Bundestagskandidat als Nachfolger von Volker Hauff, irgendwann fragen lassen müssen, wie er eigentlich die kulturelle Hegemonie der fortschrittlichen Kräfte im Massengeschmack - flapsig spricht der Parteihymnenkomponist mit Gitarren auch mal von der „Lufhoheit über den Feuerwehrzelten“ - anzusteuern gedenkt.
Sibylle Bartscher / Richard Herding (Informationsdienst: Zentrum für alternative Medien - Projekt Alltag -, Frankfurt)
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