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Kurz und schmerzvoll

■ Ein Abend bei den Catchern in der Bremer Stadthalle / There's no business like catch-business

Catcher sind auch nur Männer. Obwohl sie aussehen wie getunete Autos. Mit Speckfalten-Überrollbügel, Bauch-Spoiler und verbreiterter Spur. Da weiß mann, was mann hat. Und fackelt nicht lange wie im Leben, sondern macht kurzen Prozeß. Gut ist gut

und böse noch besser. Das Böse ist ja immer und überall, aber nur beim Catchen ist es so treffsicher, daß es eins auf die Mütze kriegen kann. Interessanterweise hat das Böse viele Gesichter und das Gute eigentlich nur einen Knackarsch. Das Böse ist meist eierglatzich,

stiernackich, märchen-häßlich, unberechenbarlich. Ein einziges Fiesematent. Ein Abend beim Bremer Stadtcatch ersetzt glatt einen Abend im wirklichen Leben.

In der ersten Reihe sieht man gut. Möglicherweise zu gut. Nicht

nur, weil geballte Mann fleischlichkeit aus der Froschperspektive etwas geballt Unvorteilhaftes hat. Sondern weil einem das Geschehen im wahrsten Sinne des Wortes nahe geht.

Einzug der Gladiatoren. Rumta-tatatata-rumta-rumta. Schröcklich schlägt Moondog Rex mit seinem Show-Knochen auf den Pressetisch. Wie nervöse Muskeltiere scharren sie im Ring. Der Gladiator im je nachdem guten oder bösen Spielanzug. Die Lieblinge bescheiden glitzernd, die Buhmänner eitel dunkel. Das Image trägt den Catcher und nicht umgekehrt. Der Catcher trägt dafür Show-Verantwortung. Das Publikum sanktioniert. Bei Sal Bellomo aus Sizilien kommt die erste „Freude“ auf: Ein männlicher Chor-Fünfer skandiert aus sicherer Entfernung „Olala, willst du eine Pizza, olala, Pizza wunderbar!!“ „Klingelingeling, jetzt kommt der Eiermann“ gilt Steve Wright, dem eiförmigen Glatzkopf. „Hacksteak, Hacksteak“ brüllen die fünf bei „Giant Haystaks“, 260kg-210cm, ein Schlabber-Einmannberg.

Die Frauen juchzen eher bei den Bodygebuildeten. Vor allem bei Rambo, ein Traum von einem lieben Zuhälter und 1988 überraschend Turniersieger. An Otto Wanz‘ dicke Küste brandet eine wahre Flutwelle von Jubel. Der Catch-Promoter aus Graz und entthronte Superschwergewichtsweltmeister ist laut Statistik der populärste von allen.

Der erste Kampf: Steve Regal, England, gegen Sal Bellomo. Der bösewichtige Italiener steckt in einem italienischen National-Höschen und zieht alle Register sei

nes Show-Könnens: Handgelenkabknicken, Publikumsbeschimpfung, Wasserbecherwerfen, Auauauaua-Sagen. Gut und fair haben's dagegen schwer. Wird der Gute aber bis aufs Blut gereizt, rächt er sich und sein langer Arm uns alle mit. Unser großer Bruder im Ring!! Zweiter Kampf: Der englische „Gentleman im Ring“, Dave Taylor, gegen den „russischen Bär“ Kauroff. Böser Russe hält lieben Gentleman an den Ohren, aber das Liebe siegt. Dritter Kampf: Tony St.Clair gegen Haystaks, David gegen Goliath, der Einmannberg setzt sich auf den Kleinen, aus. Endlich fünfter Kampf. Der Ordner, der eigentlich Aufsichtsbeamter heißt, empfiehlt fluchtbereite Handtasche und möchte, wenn schon, nicht wie Haystaks, sondern lieber wie der Gentleman aussehen. Im fünften Kampf treten drei gegen drei an: Big Otto, Eddi Steinblock (Bremer Lokal-Matador) und Rambo gegen die Amis Moondog Rex, Texas Scott und Cannonball Grizzly der Ring ist voll. Und breitbeinig stehen sie da, als wären's die Hosen auch. Also der gegen den, dieser gegen jenen, auch alle gegen einen. Gemeiiin! Speziell bei Rambo! Das Publikum jault wie eine Frau. Auf einmal liegt Eddi unter den Seilen und zuckt. Sanitäter!!! Big Otto wütet zur Strafe gegen Moondog, Blut tropft. Meine Handtasche und ich fliehen. Da fallen die ersten auf den Pressetisch. Der Kampf wird abgebrochen. Aber wo hört die Show auf? Die Bierverkäuferin ist zuversichtlich, daß alles harmlos ist. Und die muß es ja wissen. Claudia Kohlhas

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