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Beim Stinkepilz links: Junge Kunst

■ Bremer Förderpreis für bildende Kunst vergeben / Ausstellung im Überseemuseum

Wir passieren die Nachtaktiven, stehlen uns am sterbenden Wald vorbei, rechts wühlt die Wildsau im Schnee, links lassen wir phallus impudicus stinken: im zweiten Stock des Überseemuseums sind wir etwas aus der Puste, doch es geht um Kunst. Genauer: junge Kunst, die gefördert und, falls auserwählt, gepriesen werden soll. Mit dem alljährlichen Bremer Förderpreis für Bildende Kunst (5.000 DM) sucht sich die offizielle/offiziöse Kunstszene Bremens ihre HoffnungsträgerInnen aus, bei 309 eingereichten Arbeiten kein Leichtes. Dabei ist der BewerberInnenkreis beschränkt auf KünstlerInnen aus Bremen und umzu, und das alte Eisen (größer 40) bleibt ohnehin außen vor. Das Überseemuseum vertritt die Weserburg aus Umbaugründen.

„Wir sind Landsleute“, führt Senator Franke den jungen Preisträger (Jg.57) ein, „wir Schlesier“. Was der Angesprochene

zurückweist: „Ich bin Pole“, sagt der Dzierzoniow-Geborene, HfK-Absolvent, Cite-International-des-Arts (Paris) -Stipendiat Bogdan Hoffmann. Woraufhin die Rede des Senators lustlos gerät. Sich auf „Aussagen der Jury“ reduziert, „Musikfest muß auch sein“ und StandArt-Blabla zu Hoffmanns Werken.

Mit „elementarer Kraft“ gestaltet der Künstler in ihrer „seriellen Reihung ästhetisch komplexe“ Motive? Die gepriesene „Brandseeschwalbe II“ ist gemeint, acht druckgraphische Versuche zu einem „geselligen, häufig rüttelnden, mit Vorliebe nach kleinen Fischen stoßtauchenden Möwenvogel“ (Duden-Lexikon). „Die künstlerische Befragung und Definition von Realität gelingt mit einem Minimum an technischem und bildnerischem Aufwand“: „Ostertor“ muß gemeint sein, das zweite Bild Hoffmanns, 2x2m-Holzschnitt auf Japanpapier, eine Skizze des „Vier hier bitt

das Bild mi

dem Vieh mi

de Gaulle-Kop

„Charles, der Gaul“, Gips bemalt, '89

tels“ aus der Seeschwalbenper spektive mit Wiedererkennenswert. Kenner der Szene sagen, „Bogdan war dran“, nachdem er schon zweimal, 1987 und 1988 (mit „Brandseeschwalbe I“), in die engere Auswahl des Förderpreises geraten war. Zuletzt beteiligte er sich bei „Windfall“ auf dem AG Weser Gelände.

Insgesamt 42 KünstlerInnen wurden auserlesen, im Überseemuseum zu hängen, zu stehen oder vorgeführt (Filme) zu werden; mit dabei die bunten Gipsköfe der Jana Grzimek, die gewaltigen „6 Träume“ von Dagmar Hess, sehr schöne Lithographien von Michael Lapuks, eine Politikerverballhornung in Gips „Charles, der Gaul“ von Eberhard Szejstecki und mulmige Betonarbeiten von Joachim Manz. Das erhebliche Übergewicht an HfK-Zöglingen fällt auf, rein statistisch hat der/die Außenstehende eine Chance von 1:4, als förderungswürdig wahrgenommen zu werden. Die Jury ist allerdings auch weitgehend mit Personen aus dem inneren Zirkel der Bremer Kunstszene besetzt: drei „Auswärtige“ stehen der Hochschule, den mit Kunst befaßten Organisationen (BBK, Gedok, GAK) und dem Staat gegenüber. Dem Vernehmen nach hat es innerhalb der Jury nicht viel Streit gegeben.

Das Überseemuseum ist zu vielem gut: Auch das Musiktheater probt dort, „Land des Lächelns“. Die Filme von Thomas L. Dal Eberhard Szejstecki

mare, Hans-Joachim Hofmann, Claudia Schillinger, Günter Wallbrecht und Anja Telscher, ebenfalls für würdig befunden, mit zum „Qualitätsprofil der jungen Bremer Kunst“ beizutragen, konnten wegen Geräuschüberschneidung leider nicht gezeigt werden. Aber Li Portlänger mit ihrer deprimierenden Performance „Lloydtunnel“: Im kreuzenden Scheinwerferstrahl vor projiziertem Tunnelgeschehen rennt sie ganz schwarz bis auf das Weiß in den Augen Kilometer ab in allen denkbaren Haltungen, das will gar nicht aufhören und erzeugt im Kopf ein Bild, das man nicht mehr los wird. Burkhard Straßman

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