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Bon voyage mit Portemonnaie und Paß

■ DDR legt neuen Reisegesetzentwurf vor: Jeder DDR-Bürger kann ins Ausland reisen und Devisen erwerben / Angesichts des Exodus‘ frische Ideen - der Arbeiter- und Bauernstaat als neues Einwanderungsland?

Berlin/Hamburg (dpa/ap) - DDR-Bürger sollen künftig jederzeit mit einem Reisepaß ins Ausland fahren und Devisen erwerben dürfen: Die DDR-Regierung hat damit am Dienstag abend innerhalb eines Monats einen zweiten Gesetzentwurf über Privatreisen ins Ausland vorgelegt. Der Reisepaß soll eine Gültigkeit von zehn Jahren haben und auf Antrag auch verlängert werden.

Danach haben DDR-Bürger das Recht, ins Ausland zu reisen und wieder in die DDR zurückzukehren, veröffentlichte die DDR-Nachrichtenagentur 'adn‘ den Entwurf. Außerdem können DDR-Bürger Reisezahlungsmittel erwerben. Die Volkskammer müsse jährlich über den Betrag an Devisen beschließen, der im Folgejahr bereitgestellt werden soll. Das Präsidium des Parlaments beschloß, den Entwurf auf der Tagung am kommenden Freitag in erster Lesung zu erörtern. Der erste Gesetzentwurf am 6.November war an der allgemeinen heftigen Kritik im Lande gescheitert.

Das neue Gesetz sieht auch Regelungen gegen Spekulanten vor. So soll Personen, die ohne Genehmigung im Ausland arbeiten und von diesem Einkommen teilweise oder vollständig ihren Lebensunterhalt in der DDR bestreiten beziehungsweise diese Summen zu spekulativen Zwecken verwenden, der Paß entzogen werden. Dies gelte auch für schwerwiegende zoll oder devisenrechtliche Vergehen und sonstige Straftaten. Bei einschränkenden Entscheidungen sollen die Bürger Beschwerde einlegen und bei Ablehnung einen Antrag auf gerichtliche Nachprüfung stellen können.

Die DDR erteilte seit Öffnung der Grenzen am 9.November bis Dienstag früh 8 Uhr rund 23.000 Genehmigungen zur ständigen Ausreise und etwa 11.400.000 Visa für Privatreisen.

Der Direktor des Instituts für Soziologie und Sozialpolitik der Akademie der Wissenschaften der DDR, Gunnar Winkler, sagte laut 'adn‘, seit dem Mauerbau 1961 hätten allein 800.000 Menschen die DDR verlassen. Die Wanderungsbewegung sei noch nicht abgeschlossen.

1989 seien die Menschen, die die DDR verließen, noch jünger geworden. Insgesamt gingen hauptsächlich Menschen unter 40 Jahren in den Westen. Vor allem die Bezirke Berlin, Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig seien überproportional an der Auswanderung beteiligt. Dagegen lägen die Auswanderungszahlen in Neubrandenburg, Suhl, Schwerin und Cottbus niedriger. Es müsse überlegt werden, ob nicht ausländische Bürger in die DDR einwandern könnten.

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