: „Eine ganz normale Berufsgruppe...“
Monika Maron, Schriftstellerin aus der DDR, in Hamburg lebend, über die neuesten Entwicklungen in der DDR ■ I N T E R V I E W
taz: Frau Maron, der neue Minister für Kultur der DDR, Dr. Dietmar Keller, hat am Samstag in einem Interview betont, die DDR stünde „allen Künstlern offen, die das Land verlassen haben“. Es werde „keinerlei restriktive Einflußnahmen auf künstlerische Schaffensprozesse mehr geben“, und es gelte, „sich von Schatten zu befreien, die auch auf dem Kulturministerium liegen“. Fühlen Sie sich angesprochen, halten Sie diese Sätze für aufrichtig?
Monika Maron: Ich verstehe diese Sätze nicht als Propaganda, ich glaube, daß Herr Keller das ernst meint.
Beziehen Sie diese Sätze auf sich?
Da ich in der DDR lange genug gelebt habe und die Verhältnisse dort genau kenne, ist es für mich interessanter, hier zu wohnen und die DDR immer wieder zu besuchen. Aber Wolf Biermann hat neulich etwas sehr Richtiges dazu gesagt (ich zitiere das sinngemäß): Wenn sich die Verhältnisse wirklich so ändern sollten, wie es vorausgesagt wird, dann ist eigentlich gleichgültig, wo wir wohnen, dann bleiben nur drei Autostunden zwischen Berlin und Hamburg.
Spielt es für Sie eine Rolle, daß Ihr Kommen eine Signal und Symbolwirkung haben könnte, eine Art von Bestätigung, daß dieser Staat nun lebenswert sei, fühlen Sie sich moralisch aufgefordert, den Neuanfang zu unterstützen?
Bei der Frage, wie ich es unterstützen könnte, daß sich eine politische Vernunft dort durchsetzt, kann ich nur auf meine Arbeit verweisen, also auf mein Schreiben. Ich hoffe auch, daß die Zeiten, in denen die Schriftsteller in der DDR diese Bedeutung hatten, vorbei sind - und daß die Autoren jetzt eine normale Berufsgruppe bilden, wie hier auch. Wenn auch dann zu befürchten ist, daß sie - wie hier - darum kämpfen muß, daß man noch Bücher liest, wenn die Zeitungen interessant geworden sind... Es wäre wünschenswert, daß die Autoren nicht mehr Symbolfiguren sein müssen, weil es Politiker und politische Gruppen gibt, die ihre früheren Aufgaben wahrnehmen, daß sie nicht mehr den fehlenden Journalismus kompensieren müssen, weil es eine neue Öffentlichkeit gibt.
Das würde heißen: Die Autoren waren einmal die Avantgarde, notwendigerweise und gebunden an eine politische Situation und eine neue Situation, eine Normalisierung der Gesellschaft wäre jetzt gerade bewiesen dadurch, daß man uns nicht mehr automatisch zuhört, daß Wolf Biermann und Monika Maron genauso darum kämpfen müssen, gehört zu werden, wie alle anderen?
Genau. Es wird ja auch von einem Schriftsteller der Bundesrepublik, der in der Toscana arbeitet, persönliche Präsenz nicht verlangt - und wenn es für die DDR -Schriftsteller genauso würde, empfände ich das persönlich als große Erleichterung. Ich glaube, daß das auch der formalen Qualität zugute kommen wird, wenn die Literatur von jounalistischen Aufgaben entlastet wird.
(Interview: es)
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen