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Nicht verdrängen, nicht schweigen

■ Rosa von Praunheim hat einen Film über den Kampf schwuler Männer gegen Aids in NewYork und Berlin gedreht / Der Filmemacher fordert einen offensiven Umgang mit der Krankheit: „Den eigenen Tod öffentlich machen“

„Positiv“: Der Filmemacher Rosa von Praunheim macht einen Dokumentarfilm über die Aidssituation in NewYork und Berlin. Während der NewYork-Teil bereits im Frühjahr und Sommer abgedreht wurde, filmte Praunheim im November hier in der Stadt. Heute ist mit dem Trauermarsch der Berliner Positiven letzter Drehtag.

taz: Um was geht es in dem NewYork-Teil des Films?

Praunheim: Es geht - wenn man so will - um die Widerstandsbewegung schwuler Männer gegen Aids von der Frühzeit bis heute. Das geht von den Anfängen, der Gründung von „Gay Men's Health Crisis“ (GHC), dem Äquivalent zur Aids -Hilfe in Deutschland, den ersten Safer-Sex-Telefonen, bis heute, bis zu „Act Up“. Von ersten Ansätzen, nicht mehr nur als Nummer behandelt zu werden, bis zu der sehr militanten Organisation von „Act Up“.

Wieso NewYork?

Ich hab‘ NewYork genommen, weil da mit „Act Up“ wieder eine sehr lebendige politische Situation ist. In NewYork leben eine Million Schwule, während San Francisco insgesamt 700.000 Einwohner hat. In NewYork ist dadurch alles viel schwerer zu regeln, da sind die Probleme extremer.

NewYork als Beispiel für Berlin?

Man kann sicher nicht alles übertragen, aber die Emotionalität und das leidenschaftliche Engagement können für uns sehr anregend sein. Der Spruch von „Act Up“ Schweigen gleich Tod, der drückt das aus: die Krankheit nicht zu verdrängen, nicht zu schweigen, sondern damit anzufangen zu reden, die Krankheit zu akzeptieren und offensiv mit ihr umzugehen. Das ist, glaube ich, eine Sache, die uns sehr schwerfällt, weil die Bedrohung so groß ist. So fürchterlich, daß wir immer noch mit dem Kopf im Sand denken, das geht vorbei, ohne selber viel dazu zu tun.

Was wurde in Berlin gedreht, was habt ihr hier gemacht?

Ich habe die Trauerfeier der Deutschen Aids-Hilfe für Ian Schäfer, den Aids-Hilfe-Mitbegründer, aufgenommen. Die erste Trauerfeier, die die Aids-Hilfe in diesem öffentlichen Stil gemacht hat. Ich glaube, das ist sehr wichtig, die Krankheit öffentlich zu machen. Ich habe mit einer Reihe von Positiven und Kranken gesprochen, die sich öffentlich machen. Und dann habe ich mit Tunten gedreht, um zu zeigen, daß die Tunten in Berlin mit die Aktivsten sind. Daß die von Anfang an viel Öffentlichkeit gemacht haben und auch den Selbsthilfe-Pflege -Verein HIV e.V. gegründet haben. Der Film soll zeigen, welche Ansätze es in Berlin gibt. Um Anregung zu geben, wo man weitermachen sollte.

Die Verdrängung der Krankheit ist das Hauptthema?

Trauerarbeit finde ich ungeheuer wichtig. Man sollte nicht immer nur hinter vorgehaltener Hand Gerüchte hören, darüber, wer krank ist und stirbt. Was uns Deutschen so nachgesagt wird, das Gefühlskalte, das Steife, das bestätigt sich so ein bißchen. Da wird oft viel theoretisiert, problematisiert und Kopfarbeit gemacht, um die Unfähigkeit zu fühlen und zu handeln, zu entschuldigen. Das Theoretisieren hat sicher auch seine Vorteile, aber im Zeichen von Aids haben wir wenig Zeit. Wir können nicht riesige Gedankengebäude über Jahre aufbauen, wenn die Krankheit schnell fortschreitet und die Leute sterben.

Wann wird der Film zu sehen sein?

Wir wissen noch nicht, ob die Filme separat gezeigt werden, oder ob das ein Film wird. Die Filme werden bei den Filmfestspielen im Februar gezeigt und gehen dann im März zusammen mit Aids-Aktivisten aus NewYork auf Tournee.

Interview: kotte

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