: Die Medienpädagogen auf der Suche nach sich selbst
■ Fachtagung der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur/ GMK will weg vom Image der Sauertöpfe
„Kids, Kommerz und Kommunikation“ war das Motto der diesjährigen medienpädagogischen Tagung der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) in Bielefeld. 180 ExpertInnen aus der ganzen Republik trafen sich am vergangenen Wochenende, um über das Spannungsverhältnis zwischen Medienpädagogik und Medienmarkt zu diskutieren.
Schon die Gestaltung des Programms machte deutlich, daß die Veranstalter sich nicht auf die althergebrachte Geißelung der kommerziellen Massenmedien als gefährliche Verdummer der Jugend beschränken wollten. Fernsehen, Videospiele und Computer gehören zum Alltag der Kids - dies ist als gegebene Tatsache zunächst einmal zu akzeptieren.
In Bielefeld wurde daher der Dialog gesucht: Mit der Industrie, den öffentlich-rechtlichen Sendern, der Politik. Geladen waren VertreterInnen von Jugendsendungen wie Live aus dem Schlachthof (BR), Riff (WDR) oder Klartext (Tele), außerdem freie Initiativen wie die Gruppe „Videaux“ aus Augsburg.
In den Arbeitsgruppen wurde nach Möglichkeiten für einen kreativen und selbstbestimmten Umgang Jugendlicher mit den verschiedenen Massenmedien gesucht. Dabei zeigte sich mal wieder die Übermacht der allgemeinen Kategorie „Professionalität“. Auch die freien Gruppen, in denen Jugendliche ihr eigenes Programm machen können, orientieren sich formal und inhaltlich häufig an den Spielregeln der Industrie. Wegen der fehlenden öffentlichen Unterstützung ist die Vermarktung ihrer Produkte für die kleinen Initiativen aber auch oft die einzige Möglichkeit zu überleben.
In diesem Dilemma steckt auch das „Medienzentrum Ruhr“, das den medienpädagogischen Preis der GMK erhielt. Der Scheck über 2.000 DM dürfte daran nicht viel ändern. Der Film Solamente, den die Gruppe in Flüchtlingslagern in El Salvador gedreht hat, mußte mit Kleinbeträgen aus vielen verschiedenen Töpfen finanziert werden.
Die Kritik der TeilnehmerInnen richtete sich denn auch meist gegen die herrschende Medienpolitik, die für die dünne Unterstützung solcher Initiativen verantwortlich ist. Den MedienvertreterInnen dagegen begegnete man eher wohlwollend: Die wirtschaftlichen Zwänge der Privaten wurden ebenso anerkannt wie Versuche der Öffentlich-Rechtlichen, Jugendliche auch schon mal am Programm zu beteiligen. Auch gegenüber der Computerwelle, die bislang von vielen MedienpädagogInnen als große Gefahr für eine gesunde seelische Entwicklung der Kids betrachtet wurde, macht sich Gelassenheit breit: Viele Computer stehen heute ungenutzt in der Ecke, an ihrer Stelle scheinen die guten alten Brettspiele eine Renaissance zu erfahren. Man hatte es wohl doch eher mit einer ganz normalen Modewelle zu tun.
Die Medienpädagogik will weg vom Image der Sauertöpfe, die den Kids den Spaß am Konsum nicht gönnen. Selbst die Vertreterin einer ungebremsten Kommerzialisierung der Kindheit konnte in dieser Atmosphäre Sympathiepunkte sammeln: Heidrun Hertel von der Leo Kirch-Firma Marchandising München, beschäftigt mit der Vermarktung der ALFs, HEMANs und BATMANs dieser Welt, berichtete aus dem Bauch des Ungeheuers; das Fachpublikum war fasziniert.
Da lag der Verdacht nahe, hier finde die Versöhnung der Medienpädagogik mit der Industrie statt. Doch Dieter Baacke, alter und neuer GMK-Vorsitzender, weist das zurück: Die Aufgabe der Medienpädagogik sieht er nach wie vor darin, auf Programme Einfluß zu nehmen, auf Gefahren aufmerksam zu machen, politische Entscheidungen zu fordern. Um das wirksam tun zu können, ist nach Baackes Meinung der offene und vorurteilsfreie Austausch zwischen Medienpädagogik und Medienwirtschaft einfach eine Notwendigkeit.
Stephan Stolze/bm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen