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Der Terrorismus ist tot, das Morden geht weiter

Eine Bombe gegen die Überwindung alter Feindbilder  ■ K O M M E N T A R E

Ein leeres DIN-A-5 Blatt mit einem Kommando-Namen, einem abgebildeten RAF-Stern samt Kalaschnikow. Das ist die Symbolik dieses Mordanschlags. Terrorismus ohne Worte! Links -Terrorismus? Rechts-Terrorismus? Was bleibt angesichts dieser Sprachlosigkeit der Täter. Jenseits ihrer subjektiven Motivlage gibt es eine objektive politische Situation, in der diese Bombe gezündet wurde. Allein um die geht es hier. Nur aus ihr heraus läßt sich letztlich die Frage der Einordnung der Tat und ihrer politischen Auswirkungen bestimmen. Im Unterschied zum „Deutschen Herbst“ vor zwölf Jahren ist die politische Situation der Bundesrepublik heute vor allem durch zwei Merkmale gekennzeichnet: außenpolitische Instabilität wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte und eine innenpolitische Verschiebung hin zu einem ideologisch neu begründeten Nationalismus der aller kalten Wiedervereinigungsrhetorik der Vergangenheit entkleidet - einen gefährlichen deutschen Sonderweg gegen ein ziviles Europa anvisiert. In dieser Situation, in der es der Linken um die Vision eines multikulturellen, demokratischen Europas gehen muß - die Alternative zum wiedererwachenden Nationalismus - ist ein solcher Mordanschlag der Versuch, an längst überwundenen Konfrontationen festzuhalten und gleichzeitig einem gefährlichen neudeutschen Nationalismus in der Bundesrepublik die Lunte zu legen. Dabei scheint, ausgelöst durch die atemberaubende demokratische und gewaltfreie Revolution in Osteuropa, nicht nur die Überwindung der Ost -West-Blockkonfrontation greifbar, sondern sogar ein grundlegender Abbau von Feindbildern in der politischen Kultur möglich. Diese Entwicklung halten bestimmte Gruppen in der Gesellschaft offenbar nicht aus. Nicht nur die Terroristen. In den Armeen, Geheimdiensten und Sicherheitsapparaten in Ost- und West ist längst die große Sinnkrise ausgebrochen. Und in dieser Situation will uns ein Kommando, egal ob es sich RAF nennt oder anders, in eine Zeit zurückbomben, in der die bipolaren Konfrontationen Ost-West, links-rechts, schwarz-weiß - jede zivile politische Vision gelähmt haben.

Es hat keinen Sinn, sich zu wiederholen und wie nach den letzten Anschlägen nochmals festzustellen, daß sich mit diesem Anschlag die Terroristen von der politischen Wirklichkeit endgültig verabschiedet hätten. Heute muß man kostatieren: Der Terrorismus ist tot, das Morden geht weiter.

Max Thomas Mehr

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