Ein Bildungsroman von Dubski und Preiß

■ Teil 9: Geschlechtliche Turbulenzen

Margot war auf einer Semestereinführungsparty, denn sie überlegte sich, ob sie, außer das Leben zu studieren, nicht auch noch Wissenschaft betreiben sollte. In jedem Fall schien es angenehmer, sich vergnügende als arbeitende Studenten anzuschauen.

Unverbunden standen viele und schauten, ob sie etwas Bekanntes an anderen entdecken konnten, die wieder schauten. Sie ging in den ersten Stock. Dort quälten Musiker ihre Instrumente, Journalisten in Arbeitskleidung saßen dazu an kleinen Tischchen und schrieben auf, was geschah. Sie ging wieder hinunter. Dort zwang nun Musik aus den Boxen die Studenten, in ihrem Takt sich zu wiegen und ihrer Melodie sich zu fügen, obgleich die meisten ganz unmusikalisch waren. Einen hielt sie für musikalisch, weil der sich der Musik nicht fügte, und unfügsam guckten sie sich an. Später begleitete sie ihn in seine Wohnung.

Eigentlich hielt Margot ja die Krater des Ätna, Feuer der Erde gen Himmel speihend, sowjetische Marsmenschen, die russische Knaben zum Verschwinden bringen, oder auch Berliner Polarlichter für ein größeres Wunder als den Geschlechtsgenuß. Doch der winkte von weitem. Zunächst jedoch standen viele Bücher herum. „Setz dich“, sagte er, „setz dich zuerst“, erwiderte sie. Schließlich saßen sie. Zwischen den Getränken war eins gewiß: Die Natur geht im Leidenschaftlichen meist nach eigenem Gesetz, aber trotzdem nicht ziellos vor. Doch sie sprachen von anderem. „Ich wünsch‘ Dir Liebe ohne Leiden“, hatte die Alte vor ein paar Wochen gesagt. Es kam zu Küssen.

Später tauchten beständig neue Fragen auf; wie sollte man sich zum Beispiel seiner Kleider entledigen, denn das war doch nötig. Oder sollte man darauf warten, daß der andere es tat? Was tat? Zum ersten Mal in Berlin war Margot unsicher und wußte auch nicht so recht, auf welche Weise sie seine Naturanlagen fördern und in ihrer Größe steigern könne; ob man das Licht dabei löschen solle oder ob nicht im Gegenteil gerade Dunkelheit angebracht wäre, da die bildliche Vorstellung viel eher dazu beitragen würde, der Natur Größe und leidenschaftliche Gespanntheit zu verleihen. Die trunkenen Augen schwimmen, der Atem ist schnell und schwach. Doch wie weiter? Denn immer, wenn er in die Nähe von Höhepunkten kam, geißelte dann mit dem Schweif er Flanke und Hüfte, rechts und links und feuerte sich selber zum Kampf an - „nach Dir“, dachte er, und auch Margot fiel nichts Besseres ein.

Am Ende saß eine verwirte Margot auf einem Bette und starrte in ein Zimmer, das nicht das ihre war, und starrte auf den andren und wußte nicht so recht, was nun weiter zu geschehen hatte. Großes Verfehlen, so dachte sie wenigstens ungefähr, ist doch immerhin ein edles Versagen. Ihr Gegenüber dachte gar nichts.

Als sie Wenzel davon erzählte, sagte er zweierlei: „Du neigst dich nach unten und kannst deshalb nicht sehen, und blind verwegener Drang ist ohne Regel in Gefahr.“ Er versprach ihr, eine Broschüre über den gelungenen Beischlaf zu verfassen. Fortsetzug folgt