: Kein „Honniland“ in Potsdam
■ Stadtplaner und die Bürgerinitiative „Argus“ hoffen auf Hilfe aus West-Berlin zur Rettung der bedrohten Baudenkmäler und des Holländischen Viertels
Stadtplaner aus Potsdam wandten sich gestern in West-Berlin an die Öffentlichkeit. Sie baten um Unterstützung bei der Restaurierung von Baudenkmälern und der Sanierung der Altstadt. „Aus eigener Kraft ist das nicht zu schaffen“, erklärte der Architekt Christian Wendland, der zusammen mit dem Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten Sanssouci, Giersberg, und einer Vertreterin der BI „Argus“, Saskia Hüneke, auf Einladung des CDU-Abgeordneten Lehmann-Brauns nach West-Berlin gekommen war.
Besonders drei Gebäude im Park Sanssouci lagen Direktor Giersberg am Herzen. Die Gotische Bibliothek im neuen Garten, das Belvedere auf dem Pfingstberg, das Schloß Belvedere auf dem Klaußberg, außerdem das Wasserwerk am Teltowkanal. An diesen Gebäuden seien bislang keine Restaurierung und Instandhaltungsarbeiten vorgenommen worden. Giersberg schlug vor, einen Fonds einzurichten, aus dem nach den denkmalpflegerischen Vorstellungen der Stadt Potsdam restauriert werden könne. Es fehle allerdings nicht nur an Geld. Auch Material und Fachleute stehen derzeit in Potsdam nicht ausreichend zur Verfügung. Giersberg nannte es eine „Verplichtung“, die auf die West-Berliner zukomme, weil gerade Potsdam nach der Öffnung der Grenzen und den bevorstehenden Reiseerleichterungen für West-Berliner zum Naherholungsgebiet werden wird. Ganz dringend werde auch eine Halle benötigt, um die wertvollen Skulpturen des Parks vor der Luftverschmutzung und dem weiteren Verfall zu schützen.
Marode sind in Potsdam aber nicht nur die Schlösser von Sanssouci, sondern auch Teile der Altstadt. Das „Holländische Viertel“, das zur 1000-Jahr-Feier der Stadt 1993 restauriert werden soll, verfällt zusehends. Die zwischen 1732 und 1742 erbauten kleinen, zweistöckigen Häuser wurden entmietet und stehen leer. Ganze Straßenzüge wurden abgerissen. Der Bürgerprotest, organisiert in der Initiative „Argus“, hat jetzt einen Abriß- und Neubaustopp erreicht. Doch jetzt fehlt es an Geld und handwerklichem Know-how für die Sanierung der 45 Häuser. Saskia Hüneke forderte, die DDR solle die privaten Handwerker wieder zulassen und die verschiedenen Baugewerbe fördern. Außerdem müsse es eine Umorientierung vom Neubau zur Instandsetzung und Erhaltung alter Bausubstanz geben.
Eine Mahnung ging auch an die westliche Hilfsbereitschaft, nicht über die Köpfe der Bürger hinwegzugehen. Die BI Argus will mitentscheiden, wie das Viertel, um dessen Erhalt sie seit Jahren kämpfen, restauriert wird und wer es danach nutzen darf. Christian Wendland: „Wir wollen weder Disneyland noch Honniland, wie im Ost-Berliner Nikolaiviertel.“
bf
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