: Gestatten, Walter Momper!
■ Berlins Regierender zu Besuch bei Muttern und in Bremen
Schnell kommt er und rot: Rote Nase, rote Ohren, roter Schal. Wegen der Kälte. Momperkommawalterkommaregierender jener machthabende Mann aus Berlin, bei dem sich selbst eingefleischte Antiautoritäre plötzlich bei einer heimlichen Lust am Regiertwerden ertappen sollen. Der Mann, der sozusagen schon physiognomisch als einzig mögliche Antwort der bundesdeutschen Politik auf alle Appelle, nach Flick und Barschel zu Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit zurückzukehren, gelten kann. Allein der Name muß irgendwie eine Art onomatopoetisches Etikett seiner Politik sein. Die breite Gemütlichkeit der ersten Silbe und die fixe Behendigkeit der zweiten. Das klingt nach erst bedächtig überlegen und danach freundlich bestimmt tun. Nichts von Aal -Glätte. Rund ist alles. Runder Kopf, rundes Bäuchlein, runde Sätze, runde Gedanken mit liebenswerten
Ecken dran. Allem kommt wahrscheinlich zugute, daß der Regierende die Lachshäppchen, die Schinken-Toasts mit Mayonaise-Garnitur erstmal liegen läßt. Sogar der Kaffee wird kalt, wenn Momper mit Bremer JournalistInnen diskutiert.
Jede(r) in der Runde wird mit freundlichem Handschlag begrüßt. Und bei jeder macht der Regierende einen Diener und sagt
„Momper“ - ganz ohne daß das nach kokett-eitlem Understatement klingt.
„Ich soll also was erzählen“. Natürlich soll er, wenn er schon mal in Bremen ist - zu Besuch bei seiner Mutter, die schon vor zwei Monaten 70. gefeiert hat und der nun Walter verspätet gratulieren kommt. „Na, der 9. November“ (bei Kohl ginge der Satz jetzt wahrscheinlich weiter „mit histo
rische Stunde in unserem Lande“) „hat schon ein bißchen die Welt verändert.“
Irgendwie weiß der Mann, wann Ereignisse auch ohne seinen Senf vom Rest der Menschheit gebührend gewürdigt werden und erzählt lieber was davon, „daß Berlin jetzt fast jeden Tag bis unter die Decke voll ist“. Und daß das eben auch Pobleme mit sich bringt, „wenn die erste Begeisterung erst mal verflogen ist, was ja ganz natürlich ist.“ (Henning Scherf würde jetzt von der „bevorstehdenden Katastrophe“ reden). Momper erzählt davon, wie man dann den S-und U-Bahnverkehr umorganisieren muß: „Fahrtakte einhalten, wie es sie sonst nur bei Smog-Alarm gibt.“ Und daß man schleunigst Wohnungen bauen muß, wenn schon drei Messehallen zu Not-Unterkünften für je 400 Übersiedler imgebaut hat. 34.000 Wohnungen sollen in den nächsten vier Jahren in Berlin neugebaut werden. Und wenn Walter Momper das sagt, klingt das fast als wären sie schon fast fertig und auch noch ziemlich gemütlich geworden.
Da ist die SED schon viel schlechter dran. Der geht's, sagt Momper, (und das ist der einzige Moment, wo auch die Journalisten ins Grübeln kommen, ob er sich nun doch mal verplappert hat oder ob's wieder nur die mompersch -verschmitzte Lausbubenhaftigkeit beim Aussprechen großer Wahrheiten war), „der SED geht's nach dem Bekanntwerden der ganzen Korruptionsaffären im Augenblick so wie auch allen budnesdeutschen Parteien ginge, wenn hier sowas maal öffentlich würde.
kvr
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