Er wirkte „total kalt“

■ Ein kurdischer Physikstudent steht wegen versuchten Totschlags vor Gericht Opfer ist eine Sozialarbeiterin, die ein Mädchen vor dem Mann geschützt hatte

Vor der 27. Strafkammer des Landgerichts begann gestern der Prozeß gegen einen 26jährigen Kurden, der im April dieses Jahres eine kurdische Sozialarbeiterin mit einer Vielzahl von Messerstichen lebensgefährlich verletzt haben soll. Die 32jährige Sozialarbeiterin hatte einer anderen jungen Kurdin geholfen, sich gegen die jahrelangen Annäherungsversuche und Belästigungen des Angeklagten zu wehren (die taz berichtete).

Der wegen versuchten Totschlags angeklagte Physikstudent Irfan A. äußerte sich gestern nicht zu dem Vorwurf. Die Aussage der Sozialarbeiterin Hatice K. ließ jedoch keinen Zweifel daran aufkommen, daß er der Täter ist. Verwechselungen scheinen ausgeschlossen, weil Hatice K. mit dem Angeklagten entfernt verwandt ist und schon lange vor der Tat diverse Auseinandersetzungen mit ihm hatte: „Er konnte es nicht aushalten, daß sich ihm Frauen widersetzten“, erklärte die Zeugin gestern auf die Frage, was den Angeklagten zu der Tat bewogen haben könne.

Hatice K. ist seit vielen Jahren in einem Mädchenladen für Immigrantinnen tätig. Vor Gericht berichtete sie, daß der Angeklagte der heute 18jährigen Asyel bereits seit deren 13. Lebensjahr nachgestellt habe. Auf Bitten der Mutter des Mädchens, so Hatice K., habe sie den Mann aufgefordert, Asyel in Ruhe zu lassen. Irfan A. habe sich jedoch nicht beeindrucken lassen und die Belästigungen fortgesetzt. Asyel habe schreckliche Angst vor ihm gehabt und sogar von Selbstmord gesprochen, sagte Hatice K. Sie berichtete weiter, daß sie den Angeklagten einmal aus ihrer Wohnung geworfen habe, weil er Asyels Familie beleidigte, und danach von ihm auf der Straße aufgefordert worden sei, sich bei der Familie für eine Heirat mit dem Mädchen stark zu machen. Seine Begründung: Sie habe doch Macht. Hatice K. hatte das Anliegen abgelehnt und dem Angeklagten klarzumachen versucht, daß Asyel nicht wolle.

Nach Angaben der Zeugin hatte Irfan A. am frühen Morgen des 17. April Einlaß in ihre Wohnung begehrt. Als sie versucht habe, ihn abzuwimmeln, habe sie zwei Faustschläge ins Gesicht bekommen und sei in die Wohnung gedrängt worden. Dort habe der Angeklagte plötzlich in die Jackentasche gegriffen, ein Messer herausgeholt und mit diesem auf sie eingestochen. Sie habe sich zu verteidigen versucht und bei dem Kampf mit dem Angeklagten weitere Messerstiche abbekommen. Irfan A. habe „total kalt“ gewirkt und sie gewürgt und als „Nutte“ beschimpft, als sie von den Verletzungen geschwächt am Boden zusammengebrochen sei. Weil es Hatice K. noch gelungen war, die Wohnungstür zu öffnen und um Hilfe zu rufen, waren die Nachbarn aufmerksam geworden. Irfan A. flüchtete und stellte sich ein paar Tage später, weil mit seinem Foto nach ihm gefahndet worden war.

Die 18jährige Asyel erklärte gestern, daß der Angeklagte wenige Tage vor der Tat gedroht habe, sie, ihre Mutter und die Sozialarbeiterin zu töten, wenn sie (Asyel) sich nicht mit ihm einlasse. Der Prozeß wird Donnerstag fortgesetzt.

plu