piwik no script img

Die Zensur ist abgeschafft

■ DDR-Kulturminister Dietmar Keller will, daß Verlage, Generalintendanten und Museumsdirektoren künftig selbst entscheiden / Orchester sollen Dirigenten selbst wählen / Für Entideologisierung und Entpolitisierung

Ost-Berlin (ap) - „Das Kulturministerium wird künftig keinerlei administrative Eingriffe mehr in den Kunst- und Literaturprozeß vornehmen“, sagte DDR-Kulturminister Dietmar Keller (SED) gestern vor Journalisten in Ost-Berlin. Gleichzeitig wandte er sich gegen den Begriff einer „einheitlichen deutschen Kulturnation“.

Bereits am vergangenen Donnerstag war die Literaturzensur in der DDR faktisch abgeschafft worden. Der Minister sprach sich für eine „breite, nationale deutsche Kultur mit sozialistischer Prägung“ aus. Er trete für eine Entpolitisierung und Entideologisierung des geistig -kulturellen Lebens ein.

In Zukunft hätten Verlage, Generalintendanten oder Museumsdirektoren ohne staatliche Bevormundung ihre Entscheidungen zu treffen. Orchester sollten ihre Dirigenten selbst wählen.

SDP und Neues Forum:

Schon bald Neuwahlen

Ost-Berlin (dpa) - Teile der DDR-Opposition haben jetzt erste Konsequenzen aus der De-facto-Auflösung der alten SED gezogen. Rolf Henrich vom Neuen Forum und die Sozialdemokratische Partei (SDP) haben sich gestern für baldige Volkskammerwahlen ausgesprochen. Die Regierung unter Ministerpräsident Hans Modrow, sagte Henrich, habe keine Legitimation mehr. Sie sei „eine Art Notstandsregierung“, deren einziges Ziel baldige freie Wahlen sein müßten.

Die SDP hat sogar schon einen Terminvorschlag: den 6.Mai nächsten Jahres. Bislang war bei der Opposition ein Datum zwischen September und Dezember 1990 im Gespräch gewesen. In einer Erklärung der SDP heißt es, Modrow sei nicht mehr in der Lage, die Regierungsgeschäfte ordentlich abzuwickeln.

Der Vorsitzende der CDU der DDR und Minister für Kirchenfragen, Lothar de Maiziere, ist dagegen der Ansicht, daß die Rücktritte von Politbüro und ZK der SED keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Regierungsarbeit haben.

Modrow für Seiters „Hauptgesprächspartner“

Bonn (dpa) - Für die Bundesregierung ist jetzt Ministerpräsident Hans Modrow der Hauptgesprächspartner in der DDR. Wie Regierungssprecher Dieter Vogel am Montag in Bonn vor Journalisten erläuterte, wird Kanzleramtsminister Rudolf Seiters noch in dieser Woche mit Modrow über den geplanten Devisenfonds für Reisende aus der DDR sprechen.

Auch für Bundeskanzler Kohl soll Modrow Hauptgesprächspartner sein, auch wenn - so der Regierungssprecher - ein Treffen mit dem Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz nicht ausgeschlossen sei.

„Die Regierung der DDR arbeitet weiter, jedenfalls haben wir diesen Eindruck“, meinte Vogel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen