: HMI auf dem Ökotrip
■ Bonn hat zurückgestellte Gelder für das Hahn-Meitner-Institut genehmigt / Solarforschung wird ausgebaut / Bonn und Berlin ausgesöhnt?
Der Forschungsstreit zwischen Berlin und Bonn scheint seit gestern endgültig beigelegt. Diesen Eindruck versuchte zumindest Wissenschaftsstaatssekretär Kremendahl um jeden Preis zu erwecken. Er gab bekannt, daß das Bundesforschungsministerium noch in diesem Jahr dem Hahn -Meitner-Institut die bereits zugesagten 18,5 Millionen Mark zur Verfügung stellen will, mit denen der Forschungsschwerpunkt Solarenergie ausgebaut werden soll. Bonn hatte die Mittel mit der Begründung sperren lassen, es gebe eine Reihe von „Unsicherheiten“ im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren für die Inbetriebnahme des Reaktors BER II am HMI. Die Maßnahme stand im Zusammenhang mit dem politisch motivierten Vorstoß des Forschungsausschusses von CDU/CSU und FDP im Bundestag, Berlin solange alle neuen Forschungszuschüsse zu sperren, bis der Senat bewiesen habe, daß er nicht wissenschaftsfeindlich sei. Forschungsminister Riesenhuber gab nun grünes Licht, das HMI zu einem Zentrum der Solarforschung auszubauen. Momper und die Wissenschaftsverwaltung hätten bestätigt, daß der Reaktor bis Mai 1990 genehmigt werden solle, hieß es aus Bonn.
Für das HMI bedeuten die lange erwarteten Gelder, innerhalb der Solarforschung einen Schwerpunkt Materialforschung und -entwicklung zur Sonnenenergienutzung ausbauen zu können und auch fünf neue Professorenstellen in diesem Bereich bewilligt zu bekommen. Langfristig soll das Institut in einen bundesweiten Verbund zur Erforschung alternativer Energien einbezogen werden, erklärte HMI-Geschäftsführer Stiller. Die 18,5 Millionen Mark stellen eine Zusatzfinanzierung für die Solarforschung dar, die ansonsten etwa ein Viertel des Jahreshaushalts von 100 Millionen Mark erhält. Von den betroffenen Mitarbeitern des HMI wurde die Bonner Entscheidung begrüßt, auch wenn der Ausbau des Forschungsschwerpunktes für das Institut erhebliche Umstrukturierungen bedeute, so ein Sprecher.
Weiterhin ungeklärt ist, ob die Genehmigung für den umstrittenen Forschungsreaktor BER II tatsächlich im Mai erteilt wird. Obwohl Kremendahl hier Zweckoptimismus an den Tag legte, der nach Bonn hin auch von Momper und seiner Wissenschaftssenatorin zur Schau getragen wird, ist das Grundproblem der Genehmigung weiterhin nicht gelöst: Sie hängt davon ab, ob die Entsorgung der Brennelemente sichergestellt ist. Die Bundesregierung verhandelt mit den USA, die ursprünglich die Abnahme der abgebrannten Brennelemente zugesagt hatten. Dort ist allerdings zur Zeit ein Gerichtsverfahren anhängig, in dem geprüft wird, ob grundsätzlich der Transport von ausländischem Atommüll verboten werden soll. Solange kein Urteil gefällt ist, darf auch kein Atomabfall transportiert werden. Die Brennstäbe des HMI sollen deshalb zunächst in England zwischengelagert werden, so Geschäftsführer Stiller, langfristig müsse aber „eine Endlösung“ angestrebt werden.
Sollte im Frühjahr die Genehmigung erteilt werden, so Kremendahl, gebe es einen Sofortvollzug. Im Klartext heißt das, der Reaktor wird sofort in Betrieb genommen ungeachtet aller noch anhängigen Klagen von Anwohnern. „Die Betriebsgenehmigung ist zum Glück Sache des Senats und nicht der Bezirke, und hier geht das öffentliche Interesse vor“, so Kremendahl. Und „öffentliches Interesse“ sei hier forschungspolitisch gemeint, „alles andere ist Vorgartenpolitik“.
Die AL hat die Bewilligung der Bonner Gelder gestern begrüßt, warnte aber davor, daß die Einigung mit Bonn jetzt dazu benutzt werden könnte, klammheimlich die Inbetriebnahme des Reaktors zu forcieren. „Ehe die Entsorgung nicht gelöst ist, wird der Reaktor unter einem rot-grünen Senat nicht anlaufen“, so ein Sprecher der Partei. „Alles andere sind Taschenspielertricks des Herrn Kremendahl.“
kd
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