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Kinder, vertragt euch doch!

■ Zwei Herren werden sich morgen öffentlich die Visage polieren - bloß wegen eines Leibriemens

Kennen Sie einen gewissen Hiro Saito? Nein? Sie hatten noch nicht das Vergnügen? Seien Sie froh. Der Mann hat Manieren! Ein falsches Wort und er geht wildfremden Leuten an die Wäsche.

Immerhin ist Hiro Saito sozusagen gelernter und hauptberuflicher An-die-Wäsche-Geher und hat sein Lebtag nichts anderes getan als seine Fähigkeiten zu vervollkommnen, wildfremden Leuten aus ziemlich zweifelhaften Motiven auf die Zwölf zu hauen.

In ganz Japan verarbeitet angeblich keiner die Körper seiner Mitmenschen so zuverlässig zu völlig neuen Physiognomien wie Saito. Wer Saito als Westeuropäer einmal bei der Arbeit zuge

sehen hat, sieht plötzlich z.B. den in Japan bekanntermaßen recht weit verbreiteten buddhistischen Glauben an Seelenwanderung und Reinkarnation mit ganz anderen Augen: Leute, die in zur Zufriedenheit des Meisters bearbeitetem Zustand aus Saitos Werkstatt kommen, werden nach zuverlässigen Quellen nicht einmal mehr von engen Anverwandten wiedererkannt. Ungeklärt ist allerdings in der Fachwelt, ob bei Saitos sprichwörtlich gründlicher Körperumarbeitung nicht auch die Seele einschneidenden Modifikationen ausgesetzt wird.

Gott sei Dank ist Saito nicht ausgerechnet meinetwegen aus Tokio nach Bremen angereist, was darauf zurückzuführen sein dürfte, daß ich meine Hosen grundsätzlich passend kaufe und mich auf die Hilfe von Leibgurten weder aus technischen noch aus Gründen meiner persönlichen Eitelkeit angewiesen fühle. Denn um einen Gürtel geht es dem ungehobelten Herrn aus Japan, was insofern nachvollziehbar erscheint, als sich ein leichter Bauchansatz des Herrn aus Japan bei einem Gewicht von 98,5 Kilo - verteilt auf 187 Zentimeter - in der Tat nicht mehr ganz übersehen läßt. Ärgerlich allerdings,

daß seine Gürtel-Wahl ausgerechnet auf ein Stück gefallen sind, dessen Besitzverhältnisse eigentlich geklärt sind. Das Objet der saitoischen Begierde liegt bislang noch um den Bauch eines englischen Christkindes mit Wohnsitz in München.

Der Mann, der mit unserm Herrn und Heiland den Geburtstag teilt, heißt Steve Wright und ist auch in Bremen bekannt dafür, daß er nicht geradewegs die andere Wange hinhält, wenn man ihm die erste verbeult: Zwei durchaus kräftige Herren, die sich ebenfalls nicht gütlich mit Steve Wright über die Besitzverhältnisse des Gürtels verständigen mochten, zierten anschlie

ßend statt des begehrten Gürtels lediglich blaue Flecke.

Beim gestrigen ersten Zusammentreffen der beiden Herren kündigte sich bereits ein ähnlicher Rückfall in Zeiten des Faustrechts an. Beide Herren drohten sich wechselseitig fürchterlichste Prügel an und machten unmittelbare Anstalten, ihre Vorsätze in die Tat umzusetzen. Am Freitag abend werden die Verhandlungen in der Stadthalle öffentlich fortgesetzt. Jeweils auf eigenes Risiko ohne jeden Regreßanspruch gegen die Hausherren, wie Otto Wanz offensichtlich schlimmstes befürchtend - beide gestern schriftlich versichern ließ.

K.S.

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