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Neu im Kino

■ „Cinema Paradiso“ von G. Tornatore

In Italien steht gerade ein neuer Filmstil in voller Blüte, den man etwas keck „Neocinemaismus“ nennen kann: die letzten Filme der Altmeister wie Fellini oder die Tavianis, aber auch der jungen Regisseure wie Maurizio Nichetti sind Schwanengesänge auf das große alte Kino. Und so ist es gar nicht so erstaunlich, daß Ettore Scolas neuer Film „Splendor“ sehr viele Parallelen zu „Cinema Paradiso“ hat. Beide Filme handeln von der großen Vergangenheit und dem schäbigen Niedergang eines Kleinstadtkinos, beide erzählen von den Schicksalen des Kinopersonals und der Stammgäste und malen ein nostalgisches Portrait der Zeit, in der das Kino die wahre Piazza Grande eines Provinzörtchens war.

Guiseppe Tornatores Film ist tiefer und reicher als „Splendor“, weil er nicht nur von der Faszination der alten Filme berichtet, sondern auch selbst noch einmal die schönen alten Tricks des Gefühlskinos in ihrer ganzen tränenglitzernden Pracht auferstehen läßt. Zu einer wunderschön schmalzigen Musik, wie sie nur aus Ennio Morricone herausfließen kann, erzählt Tornatore von der Freundschaft eines alten, griesgrämigen Filmvorführers und eines kleinen Jungen, der schon mit sechs Jahren kinosüchtig geworden ist. Da wird gelebt, gelacht, geliebt und gelitten, wie es sich für großes Kino gehört, und großes Kino spürt man auch in den gut ausgesuchten Filmausschnitten, von denen meist direkt zu den Reaktionen im Kinosaal geschnitten wird. So können wir das Publikum von damals lachen und weinen sehen und müssen uns zugleich auch verschämt die Augen trocknen.

Nur die Liebesszenen durften damals die Schäfchen des Pater Adelfio nicht sehen: nach seiner strengen Zensur mußten alle Filme beschnitten werden, aber auch diese Sammlung der heißesten Filmküsse zeigt Tornatore uns in seinem grandiosen Finale.

„Cinema Paradiso“ ist kein sentimentaler Schmachtfetzen geworden, weil Tornatores Intelligenz und Präzision ihn sicher über den Abgrund des Kitsches balancierten ließ. Und weil Philippe Noiret den Filmvorführer Alfredo als verhärmten Einzelgänger, aber zärtlichen Freund des kleinen Toto so lebendig werden läßt. So ist „Cinema Paradiso“ ein Paradoxon: großes Kino - das zeigen will, daß es kein großes Kino mehr gibt.

Wilfried Hippen

Gondel 18.00, 20.30 Uhr

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