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„Man hört gar nicht mehr hin“

■ Bremer Jugend Presse lud Politiker zum Gespräch

Demonstrativ verweigern die Duz-Freunde Dittbrenner (SPD), Metz (CDU), Thomas (Grüne) und Jäger (FDP) die vorgesehenen Podiumsplätze auf der Bühne des Kultursaals der Angestelltenkammer. „Wir wollen in euren Reihen sitzen!,“ heißt es vorlaut von den geladenen Politikern. Ihre Gegenüber, die jungen Presse-Newcomer, wissen ihrer Bedeutung durch gekonntes Outfit Ausdruck zu verleihen. Ein Duft von Hair-Conditioner und United Colours umweht sie. Wie im richtigen Leben ist die Jugend-Presse-Opposition eher ungekämmt. Das Thema heißt „Die Deutsche Frage“, weiter: „Wohin mit den Übersiedlern?“

Die einleitenden Statements der Parteienvertreter rufen bereits das erste Gähnen bei den eifrigen Jungredakteuren hervor. Endlich darf gefragt werden. Die Fragen sind gut vorbereitet, zuweilen provozierend formuliert, aber klingen leider auswendig gelernt. „Welche politischen, sozialen und ökonomischen Probleme könnten durch eine Wiedervereinigung besser gelöst werden? Wo bleibt die Selbstbestimmung, wenn die Wirtschaftshilfe nur über Privatinvestitionen abläuft? Wie kann man kolonialistische Ausbeutung verhindern? Wozu Begrüßungsgeld? Sollte man die Freizis nicht eher in ihrer Funktion stabilisieren, damit sie Übersiedlern zur Verfügung stehen, anstatt sie zu Übergangswohnheimen zu machen? Warum gibt es kein 'Volk der DDR‘? Was wäre schlecht an ordnungsgemäßen Asylverfahren?“

Umsetzung, Akzentverschiebung, Mittelweg, Ausschöpfung der Möglichkeiten... so lauten die Vokabeln der Politiker. Sie weichen nicht ab von ihrer aalglatten, mediengerechten Sprache. Nachfragen erübrigen sich. Das steife Festhalten am Eingeübten auf beiden Seiten lockert sich erst, als es darum geht, wieviel Zeit für die „Diskussion“ noch bleibt. Da werden Uhrzeiten verglichen, die Gesichter glätten sich. Für einen flüchtigen Augenblick ist die gemeinsame Sprache wiedergefunden.

„Wir sind wieder abgebügelt worden“, sagt einer der Fragesteller später. „Man hört gar nicht mehr hin. Es stört mich nicht mehr, wenn ich mißverstanden werde.“ Die Klappe fällt. Ein Generationenkonflikt?

Beate Ramm

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