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UdSSR skeptisch gegenüber Wiedervereinigung

■ Offenbar konnte Genscher das sowjetische Mißtrauen gegenüber Bonns Deutschlandpolitik nicht ausräumen / Schewardnadse: Der Versuch, die Erneuerung für selbstsüchtige Ziele zu nutzen, gefährdet den Frieden / Genscher: 10-Punkte-Plan war nur ein Angebot

Berlin (dpa/afp/taz) - Die sowjetische Führung bleibt auch nach den Gesprächen, die Bundesaußenminister Genscher am Dienstag in Moskau führte, skeptisch. Während Genscher sich nach seinem Treffen mit Gorbatschow vor der Presse äußerte, wurde von Gorbatschow nur bekannt, er bleibe bei seiner Ablehnung einer „künstlich forcierten Wiedervereinigung“ der beiden deutschen Staaten. Deutlicher wurde da schon der sowjetische Außenminister. Gegenüber 'Tass‘ sagte Schewardnadse, die Propaganda über eine Förderation der beiden deutschen Staaten könne unter den gegenwärtigen Umständen die Unruhe in Osteuropa nur verschlimmern. Wörtlich fügte er hinzu: „Der Versuch, die Schwierigkeiten beim Erneuerungsprozeß der sozialistischen Länder für einseitige und selbstsüchtige Ziele zu nutzen, ohne dabei die langfristigen allgemeinen Interessen Europas in Rechnung zu stellen, kann die wachsenden positiven Entwicklungen, die Stabilität und den Frieden auf dem europäischen Kontinent gefährden.“

Vor der internationalen Presse in Moskau versuchte Genscher diesen Vorhaltungen entgegenzusteuern. Selbstverständlich sei „eine Annäherung der beiden deutschen Staaten nur in einer europäischen Gesamtarchitektur denkbar“. Dazu gehöre aber, daß die Annährung der europäischen Staaten insgesamt nicht um die beiden deutschen Staaten herum vollzogen werden könne. Laut Genscher ist auch die Unantastbarkeit der polnischen Grenze verbindliche Regierungsposition. Angesichts der Kritik an Kohls 10-Punkte-Plan zur Wiedervereinigung hängte Genscher das ganze Projekt erst einmal etwas tiefer. Es habe sich schließlich lediglich um ein Angebot an die DDR gehandelt, die nun entscheiden kann, ob sie darauf eingehen will oder nicht.

Einigkeit bestand in Moskau lediglich in Abrüstungsfragen. Beide Seiten betonten, man wolle alles tun, um im kommenden Jahr sowohl im Bereich der konventionellen Abrüstung als auch in bezug auf einen Vertrag über ein weltweites Verbot chemischer Waffen, zu einem Ergebnis zu kommen. Allerdings werden die beiden Büdnisse noch längere Zeit weiter existieren, sollten aber zukünftig eher zur politischen Stabilisierung als zur militärischen Abschreckung dienen. Im Auswärtigen Amt wurde nach der Rückkehr Genschers darauf verwiesen, daß die sowjetische Abwehr gegen deutsche Konföderationspläne auch mit den in der DDR stationierten Truppen zusammenhänge. Die sowjetische Führung sei zunehmend besorgt über deren Sicherheit. Als eine Konsequenz aus den Gesprächen, will Genscher nun in Bonn darauf dringen, daß auf der EG-Gipfelkonferenz am Wochenende ein klares Signal für die Fortsetzung der westlichen Integration und gleichzeitig der Wille zur konkreten Ost-West-Zusammenarbeit bekundet wird.

Parallel zu Genschers Moskaureise hat Kanzler Kohl im Anschluß an Brüssel vor der Industrie- und Handelskammer in Rheinland-Pfalz ebenfalls auf die Kritik der Westalliierten reagiert. Er will seinen 10-Punkte-Plan nicht als „rückwärtsgewandten engstirnigen Nationalismus“ verstanden wissen und warnte gleichzeitig davor, den „Weg zur Einheit mit den Terminkalender in der Hand zu planen“. SPD-Chef Vogel gab vor Journalisten in Bonn zu, daß er sich bei Kohls Bundestagserklärung habe überrumpeln lassen.

JG

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