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Demokratie verletzt

■ „Für Frauen und gegen Arbeiter“, „Hilflos und Feige“, taz 6.12.1989

Sehr geehrte Redaktion, augenscheinlich ist der Berichterstatter Ihrer Zeitung erst nach Beginn der Diskussion Ohrenzeuge der Auseinandersetzung um die zusätzlichen 19 Mandate für Delegierte der Betriebsgruppen im Landesparteitag gewesen. Wären ihm die Argumente der Gegner einer derartigen Satzungsänderung bekannt gewesen, hätte er wohl zu einer anderen Bewertung kommen können.

Diese Argumente lauten: Die SPD und ihre Ortsvereine repräsentieren in ihrer Mitgliedschaft weit überwiegend Arbeitnehmer (Arbeiter, Angestellte und Beamte). Die Funktionsträger und insbesondere die Delegierten der Parteitage sind weit überwiegend Arbeitnehmer. In Bremen ist dabei der Anteil derjenigen Delegierten, die dem Öffentlichen Dienst oder Bremischen Eigenbetrieben oder gesellschaften angehören proportional noch höher, als in der Mitgliedschaft. Auch die Zahl der Betriebsgruppen aus der übrigen Wirtschaft. In der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) ist daher verständlicherweise der Einfluß der Betriebsgruppen aus dem Öffentlichen Dienst auf die Personalpolitik und in Sachthemen erheblich, vielleicht sogar dominierend. Zusätzliche Mandate für die Betriebsgruppen im Landesparteitag könnten somit zur Folge haben, daß das politische Übergewicht der Öffentlichen Bediensteten noch weiter verstärkt wird. Dies wollten wir nicht. (...) Im Gegenteil habe ich vorgeschlagen, die Satzungsänderung nur zugunsten von Betriebsgruppen aus Betrieben vorzusehen, die nicht dem o.a. bereits dominierenden Beschäftigtenkreis angehören. Diesem Kompromiß hätten sich sicherlich eine für eine Satzungsänderung ausreichende Anzahl weiterer Delegierter angeschlossen. Der Vorschlag wurde jedoch weder vom Landesvorstand, noch von der AFA aufgegriffen.

(...) Wirklich unterrepräsentiert auf Parteitagen sind (neben Frauen, und hier gelang erfreulicherweise für die Zukunft eine gute Lösung) junge Mitglieder und Mitglieder, die aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind. Wenn man Unterrepräsentation über die Satzung ausschließen will, wäre hier gleichermaßen ein Handlungsbedarf. Dann müßte aber auch entschieden werden, daß die Ortsvereine nicht mehr Basis der Willensbildung und Personalentscheidung sein sollen. (...)

Ein weiterer Einwand bezieht sich auf die Verletzung des Prinzips: Ein Mitglied, eine Stimme. Die Betriebsgruppenmitglieder hätten zweifaches Stimmrecht und somit doppelte Einflußnahme, nämlich einmal über die Betriebsgruppe und zusätzlich im Ortsverein. Dies stellt eine prinzipielle Verletzung elementarer demokratischer Regeln dar.

Trotz dieser Bedenken hätten eine Reihe von Kritikern und auch die Delegierten meines Ortsvereins einer Satzungsergänzung zugestimmt, wenn diese ausschließlich auf Betriebsgruppen außerhalb des öffentlichen Bereichs bezogen worden wäre.

Jochen Grote

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