Mutmaßungen um RAF-Anschlag auf Stoltenberg

■ Zwei Verdächtige wurden in Husum verhaftet / Widersprüchliche Angaben, ob Anschlag auf Verteidigungsminister geplant war oder nicht / Die Bundesanwaltschaft dementiert, aber die Sicherheitsbehörden in Bonn verweisen auf sichergestellte Unterlagen

Berlin (taz) - Die Bundesanwaltschaft (BAW) hat gestern nachmittag Berichte dementiert, daß zwei am Vortag am Stadtrand von Husum festgenommene mutmaßliche Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) einen Anschlag auf Verteidigungsminister Stoltenberg geplant hätten. Nach einer anfangs verhängten Nachrichtensperre teilte die BAW gestern mit, daß es sich bei den Verhafteten um die 34jährige Ute Hladki und den 29jährigen Frank Deilke handelt. Die Nachrichtenagentur 'dpa‘ zitierte dagegen Bonner Sicherheitskreise, wonach aus sichergestellten „Unterlagen“ hervorgehe, daß möglicherweise doch ein Anschlag auf Stoltenberg geplant war.

Die Festgenommenen wurden anhand ihrer Fingerabdrücke identifiziert. Ein Haftbefehl gegen sie war bereits am 28.April 1988 ausgestellt worden, nachdem sie sich in Düsseldorf einem Gerichtsverfahren wegen Werbens für eine terroristische Vereinigung entzogen hatten. Sie wurden damals beschuldigt, bei einer Veranstaltung zur Situation der politischen Gefangenen für die RAF geworben zu haben.

Die Festnahmen erfolgten nach Hinweisen von Anwohnern. Sie hatten dabei beobacht, daß die Festgenommenen in der von ihnen am 29. November gemieteten Ferienwohnung in Tönning (Nordfriesland) stets Gummi- oder Lederhandschuhe trugen. Am Donnerstag nachmittag wurden sie nach einer Ringfahndung von einem SEK-Kommando mit vorgehaltener Maschinenpistole zwischen Tönning und Husum festgenommen. Der von ihnen benutzte Wagen war mit einem gefälschten Kennzeichen („Doublette“) versehen. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft wurde ein Revolver vom Typ „Colt Spezial 38“ sichergestellt, der aus einen Raubüberfall in Dortmund vom 19. März 1982 stammen soll.

Der BAW-Sprecher erklärte weiter, die Festgenommenen gehörten nicht zu den Mitgliedern der RAF-Kommandoebene, nach denen zur Zeit in Zusammenhang mit dem Attentat auf den Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, gefahndet wird. Das Wiesbadener Bundeskriminalamt soll nun prüfen, ob die beiden Festgenommenen „Anschläge auf Personen“ vorbereiten wollten. Im Gegensatz zur Karlsruher Behörde hieß es gestern beim Verfassungsschutz, daß Uta Hladki und Frank Deilke zur Kommandoebene gerechnet werden müßten. Das gehe daraus hervor, daß sie bewaffnet waren und bei ihrer Festnahme Unterlagen über RAF-Depots aufgefunden und „verschlüsselte Unterlagen“ sowie Funkgeräte sichergestellt worden seien. Beide wurden gestern dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichthof wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeführt.

In den Zeitungen wurde gestern spekuliert, beide hätten möglicherweise einen Anschlag auf den Verteidigungsminister Stoltenberg geplant (Bild: „Sie wollten Stoltenberg“). Die Bundesanwaltschaft erklärte, dafür keine Anhaltspunkte zu haben. Die Meldungen gehen offensichtlich darauf zurück, daß Stoltenberg gestern einen Truppenbesuch in der nahegelegenen Wulf-Isebrand-Kaserne abstattete und sein Feriendomizil nur 25 Kilometer entfernt in St.-Peter-Ording liegt. In Kombination mit der Nachrichtensperre und der Verlegung eines Pressetermins „aus Sicherheitsgründen“ hatten die Berichterstatter vor Ort sofort auf einen Zusammenhang mit den Festnahmen geschlossen.

wg