: Gnadenerlaß für Verena Becker
■ Das frühere RAF-Mitglied wurde am 30.11. nach einer Entscheidung Weizsäckers aus der Haft entlassen
Berlin (taz) - Das frühere RAF-Mitglied Verena Becker ist von Bundespräsident Richard von Weizsäcker begnadigt worden. Nach mehr als 15 Jahren Haft wurde die 37jährige am Abend des 30.November, dem Tag des Herrhausen-Attentats, aus der Justizvollzugsanstalt Willich entlassen.
Ein Sprecher des Bundespräsidialamtes nannte das zeitliche Zusammentreffen der Haftentlassung mit dem Herrhausen -Attentat „unglücklich“. Es ändere aber nichts an der Gnadenentscheidung. Verena Becker hatte sich in der Haft vom Terrorismus losgesagt. Ihr Gnadengesuch an den Bundespräsidenten stellte sie am 10.Januar 1989, am 25.September wurde ihm stattgegeben. Sowohl die Entscheidung als auch der Termin ihrer Entlassung war auf ihren eigenen Wunsch geheimgehalten worden.
In einer ersten Reaktion nannte die stellvertretende SPD -Vorsitzend Herta Däubler-Gmelin die Entscheidung des Bundespräsidenten „hervorragend“. Für Weizsäcker, der den vollen Respekt und die Unterstützung der Sozialdemokraten habe, sei maßgeblich gewesen, „daß Frau Becker sich auf eine nachweisbare und sehr eindrucksvolle Weise vom Terrorismus losgesagt hat“.
Verena Becker, zuletzt am 28.Dezember 1977 wegen sechsfachen Mordversuches an Polizeibeamten vom Oberlandesgericht Stutt Fortsetzung auf Seite 6
gart zu einer lebenslanger Haft verurteilt, war zusammen mit Günter Sonnenberg am 3.Mai 1977 im Rahmen der Fahndung nach den Attentätern von Generalbundesanwalt Buback in Singen festgenommen worden. Bei ihrer Verhaftung kam es zu einer wilden Schießerei, in deren Verlauf der damals 23jährige Sonnenberg lebensgefährlich verletzt
wurde. Als Mitglied der „Bewegung 2. Juni“ war Verena Becker 1974 wegen eines Sprengstoffanschlages auf einen britischen Yachtclub in Berlin 1972, bei dem ein Nachtwächter ums Leben kam, zu einer sechsjährigen Jugendstrafe verurteilt worden. Nur wenige Monate später wurde Frau Becker (Deckname: „Sola“) von den Entführern des Berliner CDU -Landesvorsitzenden Peter Lorenz am 2.März 1975 mit Ingrid Siepmann, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Rolf Pohle und Rolf Heißler freigepreßt und in den Südjemen ausgeflogen.
Im März diesen Jahres hatte zum ersten Mal der Bundespräsident ein früheres RAF-Mitglied begnadigt. Angelika Speitel soll nach über elf Jahren Haft am 30.Juni 1990 entlassen werden. Manfred Grashoff und Klaus Jünscke waren nach 17, beziehungsweise 16 Jahren Haft nach einem Gnadenerlaß des CDU-Regierungschefs in Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel, entlassen worden. Ein an den Bundespräsidenten gerichtetes Gnadenersuch von Peter-Jürgen Boock ist im letzten Frühjahr mit der Begründung aufgeschoben worden, daß Boock erst eine neunjährige Haftzeit hinter habe.
Wolfgang Gast
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