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Schlagwerk und freies Atmen

■ Leopold Stokowsky und die Gruppe Lunx spielten bei „Jazz im Zentrum“

Mal gerade ein gutes Dutzend unentwegter EnthusiastInnen hatte sich am Freitagabend im Kultursaal der Angestelltenkammer eingefunden, um dem Bremer Drummer Leopold Stokowsky und der Wiesbadener Gruppe Lunx zu lauschen.

Den Anfang machte der ansonsten bei der III.Art trommelnde Schlagzeuger Leopold Stokowsky. In einem etwa halbstündigen Solo-Set entwickelte er seine Vorstellungen von Rhythmik und Klang. Dabei wurde nicht immer deutlich, welche musikalischen Ideen sich hinter seinen Aktionen verbargen. Klang-und Noise-Momente standen zum Teil ohne Zusammenhang nebeneinander, hinterließen den Eindruck, daß Geräusch -Effekte nicht einer musikalischen Idee zugeordnet waren, sondern allein des Effektes willen passierten. Wenn Stokowsky sich stärker auf „herkömmliche“ Rhythmik besann, hatte er Glanzpunkte: eine schnaufende Zug-Impression mit Besen und Bassdrum beispielsweise oder die abwechslungsreiche Entwicklung auseinanderhervorgehender, santana-liker Rhythmusfiguren.

Lunx nennt sich das Trio Uwe Oberg (p), Jörg Mühlhaus (b) und Wolfgang Schliemann (dr), allesamt Mitglieder der Wiesbadener Kooperative New Jazz. Lunx ist die verballhornte Fassung des englischen lungs (Lungen)-Anspielung auf das musikalische Credo der Wiesbadener: frei atmende zeitgenössische Musik. Ganz in diesem Sinne boten die drei Musiker eine pulsierende, anregende, in der Improvisation e -musikalische mit jazzigen Momenten verknüpfende Musik. Schliemann lieferte auf den Drums differenzierte, ebenso sensible wie präsente rhythmische Linien, die sich mit dem oft

perkussiven Anschlag Obergs auf dem Piano verbanden. Oberg zeigte eine Vorliebe für vibrierende Crescendos und eine eigenwillige, unakademische Verschränkung von klassischen mit freien Cluster-Elementen. Mühlhaus entlockte seinem Baß singende Linien, oft mit dem Bogen, brachte damit kammermusikalische und experimentelle Stimmungen ein.

Der improvisierende Ansatz, in dem die Form der Stücke nur grob festgelegt wird, läßt den einzelnen Musikern viel Raum aufeinander zu hören, ihre individuellen Ideen in einem aufmerksam gestalteten Prozeß miteinander zu verbinden. Exemplarisch in einer Ballade von Schliemann, die mit vereinzelt stehenden Momenten der verschiedenen Instrumente begann, konzertante Klangstücke, zuerst scheinbar zusam

menhanglos, verdichten und verschränken sich zunehmend, um endlich in einem gemeinsamen Aufbäumen zu verschmelzen. Nachdenkliche, leise Sequenzen standen neben eruptiven, freien Ausbrüchen. Am Freitagabend ähnelten sich die Beiträge von Piano und Baß in den offenen, freien Passagen ein wenig zu oft, um die Spannung immer aufrechtzuerhalten. Zweifellos ein Risiko der Spielweise von Lunx. Insgesamt war's aber ein spannendes Konzert. So waren die wenigen BesucherInnen äußerst angetan und erklatschten sich als Zugabe eine freche Paraphrase der italienischen Antifa-Hymne „Bella Ciao“, in der das süßlich präsentierte Intro anschließend in freie Segmente zerlegt wurde. Lunx hätte ein größeres Publikum verdient, vielleicht bei einem erneuten Auftritt in Bremen. Arnau

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