piwik no script img

Westberliner Makler suchen Wohnraum im Osten

■ In West-Berlin explodieren die Immobilienpreise - und mit DDR-Bürgern entwickelt sich langsam, aber sicher ein nicht ungefährlicher Wohnungsschwarzmarkt / Täglich treffen Grundstücksangebote bei West-Maklern ein / Maklerverband: Preise werden weiter steigen

„Seit dem historischen Datum des 9.November kommen täglich Dutzende von DDR-Bürger in unsere Berliner Geschäftsstelle und bieten Grundstücke an, auch am See gelegen“, macht Alexander Rainoff vom Verband Deutscher Makler den anwesenden Pressevertretern den Mund wäßrig. Seine Makler -Kollegen stehen in den Startlöchern, viele inserierten bereits auf der Suche nach Land in der DDR. Nicht nur in West-Berlin explodieren derzeit die Immobilienpreise, auch in der „Zone“ ist ein bislang nur bescheidener Schwarzmarkt zur vollen Blüte erstanden. Vor den Run auf Ost-Immobilien hat die DDR jedoch viele rechtliche Hürden gelegt. Westler dürfen drüben Land weder kaufen noch mieten noch pachten. Und vor dem Risiko der Schleichwege warnt Rainoff ausdrücklich. „Sie können sich gegen Bares als Erbe eines ostdeutschen - möglichst uralten - Hausbesitzers eintragen lassen.“ Aber so ein Erbschein werde vom DDR -Liegenschaftsdienst - vergleichbar dem hiesigen Grundbuchamt - nicht anerkannt. „Sie müssen dann drüben einen sogenannten 'gegensätzlichen zusätzlichen Erbschein‘ beantragen. Und den bekommen Sie nicht“, beschreibt Rainoff die Nachteile dieser Methode. Auch nicht ratsam ist die andere: „Sie suchen sich drüben jemanden, der auf Ihren Namen ein Grundstück kauft. Der wird dann vom staatlichen Notariat als Eigentümer eingetragen. Üblicherweise richtet man dem Strohmann im Westen ein Konto ein, von dem der abheben kann.“ Man könne auch den Strohmann in Raten abfinden, schon um sich abzusichern. Denn man hat kann nichts unternehmen, wenn der Pseudobesitzer das Grundstück selber behält oder es gar mehrmals anderweitig verkauft. „Dann ist das Geld weg“. Lohn der Angst kann jedoch eine Datsche am See weit unter Preis sein, sagt Rainoff. „20.000 Westmark für ein Einfamilienhaus, 80.000 Mark für ein etwas größeres“ sei Durchschnitt; und: „Mir sind im Norden von Frohnau traumhafte Grundstücke angeboten worden für 10 bis 30 Mark der Quadratmeter.“ Für Westverhältnisse ein Spottgeld, im Osten immer noch viel: Der offizielle Quadratmeterpreis für erschlossenes Bauland beträgt etwas über eine Ostmark, der inoffizielle unter Ostlern fünf Aluscheiben. Aber die Zonis lernen schnell: „Die, die zu uns kommen, verlangen die hier üblichen 400 bis 500 Westmark pro Quadratmeter.“

Problematisch ist freilich nicht nur das finanzielle Risiko, sondern auch das rechtliche: „Sie begehen zahlreiche Devisen- und sonstige Verstöße nach DDR-Recht, und auch die westliche Landeszentralbank könnte bei unangemeldetem Westgeldtransfer zivilrechtlich gegen Sie vorgehen“, warnt Rainoff weiter. Makler hingegen blieben im Westen straffrei, solange sie den Kunden über das Risiko aufklärten. Wann und ob die DDR Grundstücksgeschäfte mit dem Westen legalisiert, ist umstritten. Das dauere, meint Rainoff, während die Konkurrenz „Ring deutscher Makler“ damit rechnet, daß in Kürze die Hürden fallen. „Aber sobald das legalisiert ist, verlangen die Ostler westliche Preise“, bedauert Rainoff.

Und West-Berlin wird teuer. „Einfamilienhäuser hier kosten um die halbe Million, 10 bis 20 Prozent mehr als letztes Jahr, Miethäuser in der Innenstadt gehen für das Zwanzigfache der Jahresmiete über den Tisch.“ Üblich sei bisher das Zehn- bis Fünfzehnfache gewesen. Gewerbemieten im Grenzbereich vervierfachten sich. Sogar Eigentumswohnungen seien schon knapp. „Und mit der EG-Marktöffnung wird alles noch teurer“, sagt Rainoff. Nur die Mieten hinkten noch einer angemessenen Preisentwicklung hinterher.

esch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen