: Sozialdemokraten am eckigen Tisch
■ Im Ostberliner Cafe Prag versammelten sich am Montag die Spitzen einer möglichen DDR-Linkskoalition / Eine Lage Sekt von SDP-Chef Böhme nach Gesprächen mit Westberliner Genossen / PR-Know-how der West-Sozialdemokraten ist gefragt
Spät am Abend versammelten sich am eckigen Tisch im Cafe Prag in der Leipziger Straße in Ost-Berlin die Spitzen einer möglichen Linkskoalition der DDR. Michael Bartuschek von „Demokratie Jetzt“ war da und Jürgen Freymann vom Demokratischen Aufbruch. Ute Brandis vom Neuen Forum Potsdam und der Regisseur Konrad Wolf und natürlich Ibrahim Böhme, Chef der Ost-Sozialdemokraten, der eine Lage Sekt spendierte und seinen West-Kollegen dankte. Einen ganzen Tag lang hatte die SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses im Keller des Französischen Doms gesessen und sich angehört, was Gruppen und Parteien aus der DDR zu sagen haben.
Zum abendlichen Empfang am Schinkenbüfett kamen dann auch „Freunde“ aus Potsdam und den umliegenden Bezirken. Sehen und gesehen werden im guten Sinne war die Idee des Treffens, denn schließlich muß man sich ja mal kennenlernen. Die SDP präsentierte ihren neuen Pressesprecher Dr. Elmer, der von den West-Journalisten mit Tips versorgt wurde. „Herr Pätzold, stellen Sie sich doch mal neben Herrn Böhme.“ Der Wunsch der Fotografin wurde erfüllt. SDP und SPD in trauter Einigkeit.
Die ursprünglich angesagte Anschlußreise der SPD-Fraktion nach Dresden war zugunsten des Treffens in Ost-Berlin abgesagt worden. „Es gibt viel zu tun in der DDR“ war wohl die übergreifende Erkenntnis der 40 ParlamentarierInnen nach dem ganztägigen Treffen. Das Prinzip der Nichteinmischung, das die Sozialdemokraten lange gepflegt haben, ist dem Wunsch nach tatkräftiger Unterstützung gewichen.
SPD-Vogel trifft Ost-Genosssen
Am 6.Mai ist Wahltag, und da gilt es die rosaroten Ärmel hochzukrempeln. Die SDP hat zwar mit Böhme eine machtbewußte Figur bekommen, doch ob die Sozialdemokraten diejenigen sein werden, um die sich die Gruppen zur Koalition scharen werden, ist völlig ungewiß. Noch hat die Partei dafür kein Standing. Das wissen sie auch und haben die West-Genossen sehr direkt um Hilfe und Rat gebeten. Heute nun wird der Bundesvorsitzende Vogel demonstrativ zur Partnerpartei stehen. Er trifft sich in Ost-Berlin mit dem Parteivorstand der SDP.
Ganz sicher wird dabei auch über die Namensgebung gesprochen werden. Warum nicht, fragen sich Genossen in Ost und West, den gleichen Namen haben und so grenzüberschreitend Stärke und Profil zeigen. Vor neuen Nationalismen warnen andere. Den Vertretern der Gruppen und Initiativen wurde spätestens an diesem Abend klar, daß der Schulterschluß zwischen SDP und SPD schon lange vollzogen ist.
Die SPD-Fraktion war hochkarätig in Ost-Berlin vertreten. Fraktionschef Dietmar Staffelt sprach von einer „Premiere“, denn niemals zuvor habe es ein solches Treffen gegeben. Er hoffe, meinte er in seiner Ansprache, „wir werden eine positive und friedliche Entwicklung in der DDR erleben dürfen“.
Fraktionsgeschäftsführer Kern blieb auch bis zum Ende. Die Dienstwagenfahrer hatten eine lange Nacht. Bloß einer fehlte auf der Party - Bausenator Nagel - das Wahlkampftalent.
Die Westberliner Sozialdemokraten hatten die Abgeordnetenhauswahlen im Januar trotz seiner Hilfe gewonnen. Ob ihn die Ost-Genossen schmerzlich vermißt haben, bleibt deshalb fraglich.
bf
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen