: Auszug der Bürgerinitiativen
■ Neuauflage der Erörterung des AKW Mülheim-Kärlich endet mit massiven Vorwürfen und Protesten
Mülheim-Kärlich (taz) - Die Fans der Atomkraft sind in der zweiten Runde der atomrechtlichen Erörterung für das teuerste AKW der Republik in Mülheim-Kärlich seit gestern unter sich. Wie schon beim ersten Anhörungstermin im August haben die Bürgerinitiativen gegen das AKW gemeinsam mit den Rechtsbeiständen der Städte Bendorf, Neuwied, Andernach und Mayen ihre Teilnahme an der weiteren Erörterung gestern abgebrochen. Dieser Schritt war erwartet worden, nachdem sich in den vergangenen fünf Erörterungstagen immer wieder gezeigt hatte, daß relevante Unterlagen und Gutachten, den AKW-Gegnern verweigert worden waren. Die BIs begründen ihren Auszug denn auch damit, daß sie nicht in einer ihnen zugedachten „Statistenrolle an einer Farce“ teilnehmen wollen. „Seit dem ersten Tag hat sich gezeigt, daß die AKW -Betreibergesellschaft RWE und das Mainzer Umweltministerium entgegen den Vorschriften entscheidende Gutachten zurückgehalten haben“, schreiben die Initiativen und ziehen die Schlußfolgerung, das Ministerium beweise mit diesem Termin erneut seine Absicht, den Meiler „um jeden politischen und juristischen Preis zu genehmigen“.
Zwar gab es diesmal keine drakonischen Einlaßkontrollen, keine Leibesvisitationen oder martialische Privatsheriffs, doch dem moderaten Umgangston folgte ein in der Sache knallharter Verhandlungsstil. Sämtliche Aussetzungsanträge der rund 66.000 EinwenderInnen wurden abgebügelt, wichtige Unterlagen in der Stärke von Aktenordnern wurden den AKW -GegnerInnen vor Ort noch schnell kopiert, um auf deren Grundlage ohne Unterbrechnung weiterzuverhandeln. Die Eile hat ihren Grund: Eine runde Million Mark soll die RWE jeder Tag kosten, an dem der nach einem BVG-Urteil illegal errichtete Meiler stilliegt. „Das Ministerium hat bewußt und gewollt die Herausgabe wesentlicher Unterlagen an uns hintertrieben, um uns in die Situation zu bringen, bei der inhaltliche Erörterung nicht mitreden zu können“, bilanziert der in Atomprozessen erfahrene Einwender-Anwalt Baumann den Termin. Dennoch sind sich die BIs sicher, schon in den ersten Tagen soviele Argumente vorgebracht zu haben, daß eine Genehmigung des AKW unmöglich sei. So wurde bekannt, daß der Standort erdbeben- und vulkangefährdet ist. Auch mit einer Evakuierung seien die zuständigen Stellen total überfordert, die konnten in den letzten Wochen nicht einmal 150 DDR-Übersiedler unterbringen.
Wie sehr das Umweltministerium auf eine baldige Wiederinbetriebnahme des AKW fixiert ist, zeigt eine von Baumann vorgelegte eidesstattliche Versicherung: Danach soll der Mainzer Umweltbeamte Streit schon im Sommer vor Spitzenmanagern versichert haben, die Genehmigung für den Weiterbetrieb werde in jedem Fall erteilt.
Thomas Krumenacker
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