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Rebmann sieht sich im Fadenkreuz der RAF

Im Sommer hatte der Generalbundesanwalt noch damit gerechnet, daß sich die Rote Armee Fraktion von der Strategie der Gewaltanschläge verabschiedet / Das ärgerte jetzt 'Die Welt‘ / Rebmann korrigierte sich: Nun sei auch seine Behörde RAF-Zielscheibe  ■  Von R. Gramm und W. Gast

Berlin/Karlsruhe (taz) - Auch Generalbundesanwalt Rebmann, oberster Fahnder und Hardliner im Sicherheitsapparat, rechnete im vergangenen Sommer damit, daß die RAF Abschied vom bewaffneten Kampf nehmen könnte. In einem Interview in Heft 82 der in Wiesbaden erscheinenden Zeitschrift 'Spuren und Elemente‘ führte Rebmann aus, er „habe begründete Anhaltspunkte dafür, daß sich im sogenannten 'harten Kern‘ der RAF ... gegenwärtig ein Prozeß der ideologischen und strategischen Umorientierung vollzieht. Man hat wohl erkannt, daß ein mit Morden und anderen schweren Straftaten operierender Terrorismus auf lange Sicht keine Chance zur Veränderung und Erschütterung unseres Staates oder auch nur zur Gewinnung von Anhänger hat.“

Springers 'Welt‘ zog gestern das Interview aus der zum Umfeld der „Patrioten für Deutschland“ zugerechneten Zeitschrift an die Öffentlichkeit und geißelte: „Gefährliche Fehleinschätzung“. Unter Bezugnahme auf ein Interview mit den hessischen Verfassungsschutz-Chef Schleicher, der im Mai von einem „desolaten Zustand“ der RAF gesprochen hatte, heißt es weiter, daß diese Meinung „in nachgeordneten Dienststellen der Sicherheitsbehörden offenbar zum festen Erkenntnisstand gehörte“.

Von einer „Umorientierung“ der RAF redet Rebmann heute nicht mehr. Auf seiner turnusgemäßen Halbjahres -Pressekonferenz erklärte er gestern, nach Auffassung seiner Behörde gebe es Hinweise darauf, daß künftig neben dem „militärisch-industriellen Komplex“ vor allem der „sogenannte Repressionsapperat“ zur Zielscheibe der RAF werden könnte. Darauf deute auch, daß alle vier Bekennerbriefe nach dem Herrhausen-Mord in Karlsruhe - Sitz der Bundesanwaltschaft - aufgegeben worden seien.

Der vielfach als Aufforderung zu dem Anschlag auf den Chef der Deutschen Bank interpretierte Brief des RAF-Gefangenen Helmut Pohl ist in den Augen Rebmanns nicht Auslöser des Anschlags gewesen. Die Funktion des Briefes liege vielmehr darin, daß er unter Verweis auf das Scheitern des Hungerstreiks den Unterstützern „anheimgibt, ohne Rücksicht auf die Gefangenen“ den Kampf fortzuführen, „also auch wieder Attentate zu begehen“.

Pohls Klage, daß sich nach dem Ende des Hungerstreiks nichts bewegt habe, erklärt der Generalbundesanwalt damit, daß der Brief verfaßt wurde, bevor die von seiner Behörde angeregten Verlegungen durchgeführt wurden. Inzwischen seien Christian Klar nach Bruchsal, Eva Haule nach Frankfurt, Manuela Happe nach Aichach und Clemens Wagner zu Helmut Pohl nach Schwalmstadt verlegt worden. Rebmann vollmundig: „Es hat sich also doch etwas bewegt“.

Auch bei einem Eingehen auf die Zusammenlegungsforderung wären nach Rebmanns Ansicht die Anschlagsaktivitäten nicht abgebrochen worden: „Es gibt Anschläge, solange wir nicht alle in Haft haben.“ Er beharrte darauf, daß nicht Zusammenlegen, sondern verstärkte „Integration in den Normalvollzug“ die richtige Strategie sei.

Nach Berichten des Kölner 'Express‘ und der 'Hamburger Morgenpost‘ wurden bei der Festnahme der mutmaßlichen RAF -Mitglieder Hladki und Deilke am vergangenen Donnerstag 76 handschriftliche Personen-Dossiers in der von ihnen gemieteten Ferienwohnung in Tönning sichergestellt. Darunter sollen sich auch Personenprofile über den ermordeten Alfred Herrhausen, die Ministeramtskandidatin Gertrud Höhler, den Hamburger VS-Chef Lochte und den BGS-Offizier Detlef Buwitt gewesen sein. Die Unterlagen wären von mindestens fünf Personen verfaßt worden. Spekuliert wurde gestern auch über eine Verbindung der beiden zur Hamburger Hafenstraßen-Szene. So soll der Personalausweis, den Deilke bei der Festnahme bei sich hatte, aus einem Auto vor den ehemals besetzten Häusern gestohlen worden sein.

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