: Neu im Kino:
■ „Ghosts of the Civil Dead“
Wer die kaum erträgliche Vision einer Hi-Tech Hölle sehen will, dem sei dieser australische Spielfilm über ein hochmodernes Gefängnis empfohlen. Die gehörnten Peiniger mit glühenden Kohlen und dreizackigen Forken sind durch uniformierte Wärter in den Schaltzentralen von Betonburgen ersetzt worden, aber schlimmer als in John Hillcoats Film geht es auch bei Dante oder Goya nicht zu. Er ist erbarmungslos auch dem Zuschauer gegenüber, der nur die brutalen, abgestumpften oder verrückten Schwerverbrecher in ihren Betonzellen und die Wärter sieht - kein positiver Held, keine ästhetischen Nischen, die den Zuschauer zur Ruhe kommen lassen und nur Männer, bei denen man froh ist, daß man sie nicht im wirklichen Leben trifft.
Aber solche Höllen gibt es. Hillcoat bezieht sich auf Vorkommnisse aus den „Gefängnissen der Zukunft“, die es in den USA, Australien und England bereits gibt, und die meisten Darsteller sind ehemalige Insassen. Alle sind voller Aggression - Vergewaltigungen und mörderischer Rassismus sind alltäglich und in den sauberen Betongängen gibt eine einschmeichelnde, weibliche Stimme über Lautsprecher Botschaften weiter, die auch die schwersten Jungs zerbrechen werden. Die Verwaltung geht systematisch daran, die wenigen Vergnügungen der Gefangenen zu zerstören: die Drogen, die Pornos im Fernsehen, das Modellschiff und der Sport im Freien. Unter dem Druck brechen sich Gewalt und Irrsinn schließlich so ungehemmt ihre Bahn, daß selbst die Wärter zu Opfern werden, und auch das scheint dem Plan der Bürokraten zu entsprechen.
Hillcoat gelingt es durch seine eigenwillige Filmsprache zu verhindern, daß sich die Gewalt verselbständigt - eine Gefahr, der selbst Kubrick in „Clockwork Orange“ nicht entgehen konnte. Und obwohl pausenlos mit den Bildern auf den Zuschauer eingeschlagen wird, wirkt der Film nicht abstumpfend, wie viele andere „Schocker“. Der Neopunker Nick Cave spielt einen der Insassen und komponierte mit Freunden wie Blixa Bargeld den Soundtrack. „Ghost of the Civil Dead“ ist ein energiegelandener und kompromißloser Film, den man nicht jedem Zuschauer empfehlen kann. Eine englische Zeitschrift brachte es auf den Punkt:„Great, if you can take it“.
Wilfried Hippen
Schauburg, 23.00 Uhr
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