Blauer Mond aus Memphis

■ Der neue Jim Jarmusch läuft an: „Mystery Train“ / Roter Rock'n'Roll

In Wirklichkeit ist der Mond eine Straßenlaterne. Ich hab's eigentlich immer geahnt. Aber es ist schon okay. Schließlich ist der Mond auch nur eine Kulisse und man soll nicht soviel Aufhebens von ihm machen. Außer vielleicht, wenn er in Memphis als „Blue moon“ nachts um 2 Uhr 17 aus dem Radio in's Hotelzimmer scheint. Also dahin, wo all die Beladenen so mühsam zur Ruhe kommen.

Natürlich ist „Mystery Train“, der neue Film von Jim Jarmusch, ein Kultfilm. Das geht gar nicht anders, wenn einer poetisch ist und Rock'n'Roll liebt, Geschichten erzählen kann und Distanz liebt, lakonisch ist und rot liebt, träumen kann und Konstrukte liebt. In drei Episoden schickt Jarmusch seine Menschen, die seltsam an keiner Hoffnung tragen, vielleicht auch an gar nichts außer an einem roten Koffer oder einer roten Handtasche oder einer

roten Krawatte, durch Memphis. Das Leben ist eine Warteschleife und die Zeit zwischen Kommen und Gehen, Ankommen und Abfahren. Aber Memphis ist eine Kultstätte und mit Rock'n'Roll und Mythen gepflastert. Hier lag

in den Windeln und liegt begraben: vor allem Elvis. Elvis über alles. Elvis, wo bist du? Da, an der Wand im Hotelzimmer, da hängt er doch! Und hilft doch nicht. Hängt und schweigt in Öl zu allen seinen blauen Monden auf dem Radio-Nachttisch.

Im kleinen Hotel verpassen sich die Menschen, obwohl sie sich nicht treffen wollten. Vorher laufen sie lange durch deprimierende Straßen, wie kann man nur so lange durch so deprimierende Straßen laufen! Vor der Hotelrezeption mit dem schmächtigen schwarzen Hotelpagen und seinem wuchtigen schwarzen Boß - Screamin‘ Jay Hawkins im zinnoberroten Leuchtjackett - sind alle gleich: das Pärchen aus Yokohama, die beiden Frauen mit mannvergangener Vergangenheit, der vergangene Mann und

seine whisky-täppischen Spießgesellen. Gut, daß jetzt Wim Wenders nicht hier ist, der Amerika deshalb so liebt, weil da ungeschälte Illusionen so prima auf Abgeblättertes treffen und sichtbar sinnfällig werden als solche.

Von Angesicht zu Angesicht mit „Mystery Train“ würde ich kein Mann sein wollen: sowas von einer Anordnung von ausdrucksarmen Würstchen! Von der Frau verlassen, kann mann sich nur Erleichterung mit Schüssen auf diesen und jenen verschaffen, naher Freund Alkohol und ferne Feindin Freundin sind eben schuld. Für die Frauen wartet möglicherweise in der Ferne eines Traumes das Ziel, wenn sie ihre Plüschtiger -Tasche wieder packen. Claudia Kohlhas

Ab heute in der Schauburg, 21 Uhr