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Die süßen Überstunden des Horst K.

■ Verena B., von ihrem Vermieter drangsaliert, wollte nur Personenschutz / Da bekam sie plötzlich Liebesbriefe per Streifenwagen / Es funkte - doch in Wirklichkeit war Kommissar Horst K. verheiratet und wollte sich nicht entscheiden...

„Mein Verhältnis zur Polizei war noch nie das beste“, sagt Chefsekretärin Verena B. (29) und spricht ungelassen aus, was als kollektiver Emotions- und Bewußtseinsstand der Bürger gegenüber der Ordnungskraft gelten dürfte. Verena B. hat der Allgemeinheit allerdings ein besonderes Verhältnis zur Polizei voraus. Das mit dem verheirateten Oberkommissar Horst K. (48).

Die sogenannte Liebe, die Himmelsmacht, kann einem Gespräch über Lohnsteuerkarten ebenso entspringen wie einem angeblichen dienstlichen Auftrag zum Personenschutz. Dem einfachen Bedürfnis, daß ein Mann her muß, oder der Tatsache, daß die Ehefrau sich nicht mehr kümmert, weil Männe sich mit dem Beruf verheiratet hat.

In diesem Fall kam alles zusammen, und das kam so: Im Juli dieses Jahres wird Verena B. von ihrem Vermieter bedroht. Der will das kleine Blockhaus, das Verena in einem Berliner Außenbezirk bewohnt, abreißen lassen und ein größeres bauen. Er versucht die Mieterin auf die schnelle Tour loszuwerden, mit öffentlichen Beschimpfungen und Attacken mit Hund und Auto. Verena B. geht zur Polizei und erstattet Anzeige. Dort sichert Sachbearbeiter und Oberkommissar Horst K. zu, sich die Örtlichkeiten zu besehen und Verena beim Spaziergang zu eskortieren. „Das kann bis zum Personenschutz ausarten“, meint er in vieldeutiger Miami-Vice-Manier und kündigt die erste Visite für acht Uhr abends an. Verena ist wegen der späten Observation etwas irritiert, und noch mehr, als der Kommissar danach alle vier Tage bei ihr erscheint, mal in Uniform, mal in Zivil.

Aber weil ihr Leben „ein bißchen hektisch ist“, freut sie sich „über jemand solides“, der ihr Schutz bietet. Nach ein paar Tagen Beschützerei kommt es zum ersten nicht -dienstlichen Anruf. „Sie sind mir sympathischer, als ich gedacht hätte“, haucht Horst ins Telefon. Beim nächsten Abendtermin nimmt er sie dann im Streifenwagen zu einem Einsatz mit.

Im Auto wird's persönlich. Sie bringt das Gespräch zielgerichtet auf die jeweiligen Steuerklassen („Ich bin allergisch gegen verheiratete Männer“) und zwingt den Polizisten zum Geständnis: Er ist nicht nur mit seinem Job liiert, wie bisher vorgegeben, sondern ein veritabler Ehemann. Horst K. bejammert den Zustand der Ehe, wie es sich gehört, sie aber macht klar: Sympathie, mehr nicht. Trotzdem folgt der erste Kuß. Danach trifft man sich täglich zu dienstlichen Dates mit Streifenwagen im Wald.

Nach zwei Wochen aber beschließt sie: Ende der Beziehung. Der Kommissar heult am Telefon, schickt einen Funkwagen mit Streifenpolizistin vorbei, die einen Liebesbrief übergibt. Er kündigt an, sich scheiden zu lassen, was sie nicht will. Schließlich besorgt sie ihm ganz mütterlich doch einen Scheidungsanwalt, den er aber ablehnt. Er möchte sie sehen, sie möchte das nicht, sagt „definitiv“ nein. Zwei Tage später steht der grün-weiße Wagen vor der Tür. Aufforderung zum Spaziergang. Seine Frau wisse jetzt alles, Scheidung.

Später am Telefon nimmt Horst die Scheidungsabsicht zurück, worauf sie ihm klarmacht, jetzt könne er sie mal. Abends steht er mit Streifenwagen wieder vor ihrem Haus. Verena B. ignoriert ihn. Geht anschließend aufs Revier und fordert ihn dort auf wegzubleiben und sie weder telefonisch noch brieflich weiterhin zu behelligen.

Doch dann kommt wieder ein Liebesbote im Streifenwagen, eines Tages steht Horst selber in Uniform wieder vor der Tür, fährt, als sie das Haus verläßt, mit dem Funkwagen neben ihr her. Schließlich steigt sie doch ein, es geht in den Wald: „Und die Sache fing wieder an.“

Alles läuft wochenlang „recht harmonisch“, bis sie merkt, daß Horsts Frau nicht über den vollen Umfang des Polizeidienstes informiert ist, die Scheidung keineswegs vor der Tür steht. Auch die Querelen mit dem Vermieter gehen weiter. Nachdem sich Verena dreimal an andere Polizisten des zuständigen Reviers gewendet hat, merkt sie langsam, daß es gar keine Ermittlungen gegen den Vermieter gibt. Dem Kommissar ging's um Verena statt Strafverfolgung. „Da kannst du tausendmal anrufen, ich habe den Jungs gesagt, sie sollen nichts unternehmen“, verrät er ihr in einer schwachen Stunde diesmal ganz ehrlich.

Jetzt droht sie ihm „private und dienstliche Konsequenzen an“, Information der Ehefrau und der Vorgesetzten. Trotzdem treffen sie sich weiter täglich. Die Ehefrau, inzwischen wohl notgedrungen ins Licht gesetzt, beginnt nun telefonterroristische Überfälle. Verena besorgt sich eine Geheimnummer, fotokopiert den Liebesbriefwechsel und schickt ihn an Frau K. „Einseitige Informationen sind immer schlecht. Deshalb lasse ich Ihnen hiermit etwas Schriftliches zukommen.“ Der Vorgang ist beendet.

Später kommen noch ein paar gemeine Anrufe von Horsts Frau, die als gute Ehe-Polizistin die Geheimnummer von Verena B. längst herausbekommen hat. Auch ein Verena-Foto aus Horsts Brieftasche schickt sie postwendend zurück. Ansonsten Ruhe. Verena: „Nur manchmal steht er noch in Zivil vorm Haus.“ Verena hat uns diese Geschichte erzählt, um ihren Horst per Publikation von der Karriereleiter zu stoßen. Einen Polizisten allerdings, der Streifenwagen einsetzt, um Liebesbriefe überbringen zu lassen, ist uns nicht unsympathisch. Nicht nur aus diesem Grund: Die Namen der Beteiligten sind von der Redaktion geändert worden.

Hans-Hermann Kotte

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