: „Wir müssen das in Zukunft ändern“
■ Berlinale-Chef Moritz de Hadeln über den zukünftigen Umgang mit DDR-Filmen
Für die nächste Berlinale im Februar war es zu spät: Das Berliaeglement - Filme dürfen nur auf dem Festival laufen, wenn sie noch nirgends zu sehen waren außer im Ursprungsland - ließ sich so schnell nicht mehr ändern. „Es bleibt dabei“, so Moritz de Hadeln zur taz, „daß Coming out von Heiner Carow im Wettbewerb läuft“. Und auch die Wiederholung im Ostberliner Cosmos-Kino wird „ganz normal“ stattfinden, obwohl Coming outin Ost-Berlin, Leipzig und anderswo in der DDR zur Zeit zu sehen ist. Auch die Studenten- und DEFA -Filme über den Herbst '89 werden im Rahmen des Internationalen Forums präsentiert, obwohl einige dieser Filme bereits im DDR-Fernsehen, und damit auch für Westberliner, Hofer, Helmstedter etc., zu sehen waren. Umgekehrt verbietet die Tatsache, daß die taz zusammen mit dem Sputnik-Kino den bisher nicht in den DDR-Kinos gezeigten DEFA-Film Leipzig im Herbst am vergangenen Wochenende dreimal in West-Berlin vorführte, strenggenommen eine Vorführung bei der Berlinale. Aber die Forums -Verantwortlichen haben zum Glück ein Nachsehen. Auf das Kuriosum befragt, daß die DDR für die Berlinale offiziell (noch) als Ausland gilt, während das Festival im Februar die beiden Hälften Berlins bereits friedlich (wieder-)vereint, meint de Hadeln: „Es gibt in der Tat Überlegungen. Wir müssen das wahrscheinlich in Zukunft ändern.“ Man verhandele darüber bereits mit den zuständigen Stellen in der DDR: „Wir stehen am Anfang einer möglichen Zusammenarbeit.“
De Hadeln merkt außerdem an, daß es Gespräche über Berlinale-Spielorte in Ost-Berlin bereits seit Frühjahr '89 gegeben habe. Die schnelle Entscheidung über die Wiederholung des Wettbewerbs im Ostberliner Kosmos-Kino und anderer Berlinale-Filme im Colosseum sei nicht zuletzt auf diese Vorgespräche zurückzuführen. Ein paar technische Schwierigkeiten sind zwar noch zu lösen, so etwa das Problem, daß die Ost-Wiederholungen am selben Tag laufen sollen wie die West-Wiederholungen in der Urania, man aber für den Grenztransfer der Filmrollen circa zwei Stunden einkalkulieren muß. Ansonsten wird das Wettbewerbsprogramm im Osten genauso wiederholt, wie es im Westteil der Stadt zu sehen ist. De Hadeln: „Alles wird gezeigt. Es gibt vorher keine Kontrolle von seiten der DDR.“ Wenn es Ärger gibt, dann hinterher.
Verhandlungspartner ist Horst Pehnert, Leiter der Hauptverwaltung Film im DDR-Kulturministerium. Die Frage, ob de Hadeln keine Schwierigkeiten habe, mit jemanden in Verhandlung zu treten, der bisher auch für die Zensur im Filmwesen verantwortlich war, der zum Beispiel das Verbot von fünf sowjetischen Filmen in der DDR im vergangenen Jahr mitgetragen hat, weist de Hadeln zurück: „Ich teile nicht Ihre Auffassung über Herrn Pehnert.“ Jeder Funktionär in der DDR werde jetzt angegriffen, gerade wenn er schon früher im Amt war. Herr Pehnert sei ein Beamter, der seine Pflicht getan habe. Außerdem: „Was die Berlinale auch tut in Ost -Berlin, sie muß es mit ihm verhandeln.“ Es sei auch egal, mit wem und wie Vereinbarungen getroffen werden: „Entscheidend ist, daß es stattfindet.“
Dem Argument, daß sich der Berlinale-Chef den DDR -Filmminister nicht aussuchen kann, läßt sich schwerlich etwas entgegnen. Aber den Verantwortlichen für ein Filmfestival, das sich schon lange als Ost-West-Drehscheibe und in den vergangenen Jahren im Zeichen von Glasnost und Perestroika präsentierte, stehen Ahnungslosigkeit und Verharmlosung in Sachen Zensur schlecht zu Gesicht.
chp
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