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Abkommen von Schengen bleibt wieder hängen

Differenzen über Status der deutsch-deutschen Grenze und der DDR-Bürger machen weitere Verhandlungen nötig Über Flüchtlingspolitik und polizeilichen Datenaustausch waren sich die Unterhändler gerade einig geworden  ■  Von Thomas Scheuer

Die für heute vorgesehene Unterzeichnung eines Zusatzvertrages zum Schengener Abkommen von 1985, in dem der Wegfall der Grenzkontrollen zwischen Frankreich, der Bundesrepublik und den Benelux-Ländern bis Ende 1991 sowie entsprechende „polizeiliche Kompensationsmaßnahmen“ geregelt werden sollten, ist im letzten Moment geplatzt. Hatten bisher Probleme wie der fehlende Datenschutz oder Streit um eine einheitliche Asylpolitik immer wieder für Verzögerungen gesorgt, so führten jetzt die Umwälzungen in der DDR zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Verhandlungspartnern.

Am 14. Juni 1985 hatten Regierungsvertreter Frankreichs, Hollands, Belgiens, Luxemburgs und der BRD in dem Luxemburger Dörfchen Schengen ein Abkommen über den stufenweisen Abbau der Grenzkontrollen zwischen diesen Ländern unterzeichnet. Dieser sollte ursprünglich bis zum 1. Juli 1990 vollendet sein. Der Schengen-Plan galt als Pilot -Projekt für den im gleichen Sommer auf dem Mailänder EG -Gipfel initierten EG-Binnenmarkt.

Während die Experten beim grenzüberschreitenden Verkehr von Schnittblumen und leicht verderblichem Gemüse rasch vorankamen, erwiesen sich neben der Angleichung der Visabestimmungen, bzw. der nationalen Asylpolitiken die sogenannten „polizeilichen Kompensationsmaßnahmen“ als besonders heikle Materie. Mit diesen Maßnahmen, allen voran eine engere Kooperation der nationalen Polizei- und Zollorganisationen, sollte der Wegfall der Grenzkontrollen ausgeglichen werden. Wegen Differenzen bei den Kompensationsmaßnahmen war der ursprüngliche Termin 1990 nicht zu halten.

Nach mehrjährigen Verhandlungen einigte sich die Arbeitsgruppe I, bestehend aus Polizei- und Sicherheitsexperten, diesen Herbst auf ein Konzept der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den Schengen-Staaten. Kernstück ist Kommissar Computer: Mit dem „Schengen Informations-System“ (SIS) soll das erste transnationale Verbundnetz für den polizeilichen Datenaustausch in Europa installiert werden. Ferner wird der Austausch von Verbindungsbeamten vorgesehen sowie die grenzüberschreitende Verfolgung und Observation von Straftätern geregelt. Auf einer Expertentagung am 13. November dieses Jahres wurde übrigens in letzter Minute noch in den Paragraphen 51 eine höchst umstrittene Passage über die Zusammenarbeit der Geheimdienste eingefügt. Als neues Stichdatum für den Wegfall der Grenzkontrollen unter den Schengen-Staaten wurde nun Ende 1991 gehandelt - diese Zeit, so die Experten, würden sie zum Aufbau des SIS-Datenverbundes brauchen.

Sowohl das Schengener Ur-Abkommen als auch der Zusatzvertrag mobilisierten Kritik aus verschiedenen Richtungen: Den fehlenden Datenschutz beim geplanten SIS etwa monierte im Oktober die Konferenz der Landes- und Bundes-Datenschutzbeauftragten. Zuvor hatte schon eine europäische Datenschutz-Konferenz ein europäisches Kontrollgremium für das SIS gefordert. Vor einer Verschlechterung der Situation der Flüchtlinge warnten „Amnesty International“ angesichts der Visa- und Asyl -Bestimmungen. Das katholische Hilfswerk Caritas befürchtete ebenfalls eine Einschränkung des Asylrechts und forderte am Dienstag die Einbeziehung des UNO-Flüchtlingskommissars in die Verhandlungen. Das Europäische Parlament empörte sich über den Charakter eben dieser Verhandlungen: In einer im November verabschiedeten Resolution verurteilen die Abgeordneten das „Geheim-Verfahren“ der Schengen -Unterhändler und fordern demgegenüber eine öffentliche parlamentarische Erörterung. Die Bonner Bundestags-Grünen sprachen sich am Mittwoch gegen die Unterzeichnung des Zusatzvertrages aus; ihre Luxemburger Parteifreunde riefen zur Gegen-Demo ins Örtchen Schengen auf.

Nun beschert das deutsch-deutsche Karussell den Kritikern eine Atempause. Differenzen über den Status der DDR-Bürger und der deutsch-deutschen Grenze waren in der Zentralen Verhandlungs-Gruppe diese Woche in Brüssel trotz Überstunden nicht zu bereinigen. Während DDR-Bürger für Bonn keine Ausländer sind, wird die jetzt offene deutsch-deutsche Grenze von den anderen Regierungen ganz eindeutig als „Schengen-Außengrenze“ betrachtet. Vor allem Holland und Belgien äußerten Befürchtungen vor illegaler Einwanderung über die offene Grenze zwischen DDR und BRD. Bis Mittwoch abend feilschte die ZVG in Brüssel vergeblich um Formulierungen. Das Bundeskanzleramt gab bekannt, daß die für den heutigen Freitag vorgesehene Unterzeichnung des Schengen-Zusatztextes verschoben werde. „Im Lichte der jüngsten deutschlandpolitischen Entwicklungen“, so eine Beamtin, habe man die „Notwendigkeit weiterer intensiver Konsultationen“ erkannt. Kommentar Seite 8

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