: Kulinarische Vergnügungsreisen IV
■ Gefüllte Violinen und andere Künstler-Rezepte aus der Royal College of Art
Der Leumund für die AutorInnen eines Künstler-Kochbuches könnte kaum besser sein. 142 Rezepte aus den Ateliers zeitgenössischer Künstler und allesamt stammen sie aus dem Umfeld des Londoner Royal College of Art. Auf der Suche nach einem geeigneten Thema für die Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Kunstakademie war man dort auf die Idee eines Kochbuches verfallen. Der Weg zur Kunst geht durch den Magen, vor der Skulptur steht das Sorbet, die Sonate folgt dem Seeteufel.
Kulinarische Ratschläge sind selten in einem Kochbuch eine so unterhaltsame und vergnügliche Allianz von Rezept und Illustration eingegangen wie in diesem Band. Nicht nur solide englische Kost ist es, die die KünstlerInnen den geneigten Augen und Gaumen des Publikums empfehlen. Wer sich Richard Cawleys Terrine von Stilton und Backpflaumen mit Zwiebel-Apfel-Salat, den vielen Variationen von pies, John Bellanys Hummer Thermidor oder Chris Orrs Verführungsdinner mit Genuß und Muße überläßt, stellt schnell fest, auf welch amüsante Art sich Hausmannskost mit den dezidierten Geschmacksvorstellungen langjähriger Gourmets und der Lust am Exzentrischen mischen.
Ein besonderes Lob aber sei den IllustratorInnen gezollt. Wenn Blaise Thompson bei den Gefüllten Auberginen von Yehudi Menuhin das Gemüse als Violine aufs Papier zaubert, Robert Buhler das Wortspiel seiner Schokoladenmousse-Anleitung (mousse ist Schaumcreme, moose der Elch) so ins Bild setzt, daß aus dem Dessert ein kapitaler Zwölfender wird, dann läßt dieser grafische Esprit, der dem ganzen Band gut zu Gesichte steht, die Rezepte in den Hintergrund verschwinden.
Liebhaber der guten Küche haben hier gewirkt, und sie sehen es jedem nach, der ihren ausgefallenen Gaumenpfaden nicht folgen mag. So heißt es bei Reginald Gadneys Französischer Torte: „Dies ist kein Rezept für Feiglinge oder Pfennigfuchser. Es ist ganz wundervoll, unbeschreiblich, bombastisch süß und geeignet, überschwengliche Reaktionen hervorzurufen, daß vorsichtige Menschen statt dessen lieber Käse essen sollten.“
Andreas Hoetzel
Das Künstler-Kochbuch, Vorwort von Henry Moore, Christian -Verlag, 160 Seiten mit 50 farbigen und 108 s/w -Illustrationen, 49,80 Mark.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen