Macbeth so normal wie Macdonald

■ Premiere bei Shakespeares: Rainer Iwersens Inszenierung schwang feministische Axt gegen mörderische Männer

Die Shakespeare Company hat ein festes Haus, dennoch ist sie - noch oder wieder - unterwegs, behält ihr Volkstheater -Erfolgsrezept bei und sucht nach neuen Wegen. Macbeth ist noch ein bißchen „ernster“ als zuletzt Troilus und Cressida, die clownesken Elemente werden spärlicher, einige Szenen, wie die mit dem langen Rudolf Höhn als Lady Macbeth-Jungfrau Maria mit Macbeth-Jesuskindlein im Schoß, erinnern an den psychoanalytischen Holzhammer-Allegorismus von Taboris Shakespeare-Collage.

Die Suche ist gut, nur, diesmal ist sie schiefgegangen. Das entscheidet sich in den ersten Szenen. Daß man bei der allerersten überhaupt nicht durchblickt, welcher alte König (Petra Schmid) da ängstlich was redet, könnte man noch wegstecken. Aber dann kommt Macbeth (Peter Kaempfe) mit seinem Kriegskumpel Banquo (Rudolf Höhn), beide in Bundeswehrklamotten, und die beiden phantasieren, daß, wenn sie jetzt schon so tolle Hechte sind, daß sie dann auch gleich bis zur letzten Sprosse der Karriereleiter aufsteigen wollen, Macbeth könnte König werden und Banquo Vater von Königen. Das ist nicht mehr als eine große Kinderei, die beiden wälzen sich im Wortsinne vor Albernheit, das sind normale großspurige Phantasien von Männern, die kleine Jungen geblieben sind.

Normal ist es auch, weil das Volk nach den großen Männern schreit. Das Volk sind wir, das Publikum, und wir stehen auch auf und schreien, animiert von der Agitatorin mit der Clowns

nase (Anke Engelsmann), Ähh, Bäh, und Brrr, um den Schlachtenhelden zu empfangen. Wir machen mit, es ist ja nicht nur unsere Shakespeare-Company zum Anfassen und Mitmachen, sondern wir wissen ja auch, wie lächerlich es ist, nach dem großen Mann zu schreien und daß das diese Popanze erst möglich macht.

Und das ist es: Schauspieler und Publikum wissen schon alles, ehe alles angefangen hat. Das Stück ist zu Anfang schon am Ende angekommen. Da wird keine Spannung mehr aufkom

men, da bleiben wir immer überlegen diesen Helden, die so gut in unser Bild vom Männlichkeitswahn passen, da haben wir allemal links gehabt, da wird das Stück sehr bald unerträglich lang. Diese infantilen Kumpel Macbeth und Banquo stammen nicht aus unserer Welt, sondern aus der, die die alternative Szene und und ihre SchauspielerInnen ja mit Grund und Grausen verlassen haben. Sie rühren nicht, interessieren nicht, sie machen nicht gespannt. Die fehlende Dramatik müssen dann die SchauspielerIn

nen, je später desto nerviger, durch exzessiv-expressives Satz-für-Satz-Brüllen wettmachen. Wobei die ansonsten gut spielen, alle fünfe. Zwischen den beiden „alten“ und den drei „neuen“ Ensemblemitgliedern ist keine Kluft mehr, Petra Schmid, in x-Rollen zwischen Kind und König, hat sich deutlich frei gespielt, an ihnen liegt es nicht.

Doch wehe, wenn die einen Männer die feministische Doppelaxt gegen die anderen Männer einsetzen. Die analytisch richtige Linkshaberei über die „Helden“

tötet sie. Und die schönsten Regie-Ideen kriegen sie nicht wieder zum Leben. Und gute Ideen gibt es etliche in dieser Inszenierung. Dazu gehört das Konzept, auf alle fatumsmäßige Verführung zu verzichten, damit auch auf die schönen drei Hexen, und den Beginn des Mordens in die Individuen hineinzuverlegen.

Dazu gehört die Idee, das Individuum Macbeth aufzulösen in seine Phantasien, später in seine Zweifel und schließlich in das, was er gemordet hat. Und diese „Innereien“ selbständig auf der Bühne agieren zu lassen. Wie der ermordete Kumpel Banquo den schon völlig Ich-entleerten Macbeth von hinten in die Arme klemmt und seinen Part spricht, während Macbeth nur noch die Lippen bewegt, ist eine Spitzenidee.

Aber richtig Theater wurde nur aus einem dieser Regieeinfälle: Der Königsmord entsteht diesmal weder aus dem Ehrgeiz Macbeths noch aus dem seiner Lady, sondern aus der Beziehung beider. Mal hat er Angst, mal hat sie. Die Angst ist die gleiche und steht bei Shakespeare so im Text. Es ist die Angst, daß Macbeth, wenn er den Mord am König, am männlichen Oberhaupt, nicht packt, auch kein richtiger Mann ist.

Und da, wo der sonst so oft Udo-Lindenberg-cool daherredende Peter Kaempfe seine Lady Anke Engelsmann schlicht und kläglich bittet, sie möge ihn doch nicht im Stich lassen bei dem unmenschlichen Geplanten, da habe ich einen kurzen Augenblick lang gesehen und gehört, wovon hier drei Stunden lang die kluge Rede war.

Uta Stolle