Schutzwall mit Kirschalleen

■ „Blühende“ Vorschläge des Neuen Forums für den Mauerstreifen / Die Mauer soll stehen bleiben als Mahnmal und Schutz für einen Ringpark durch ganz Berlin

Mitten in Berlin werden die Kirschalleen blühen und die Lavendelfelder duften, werden Spaziergänger in Oasen der Ruhe lustwandeln und Reiter ihren Pferden Auslauf geben. Mitten durch eine Viermillionenstadt wird sich ein üppiger Grüngürtel ziehen, in dem aufgrund der besonderen klimatischen Bedingungen ansonsten in Mitteleuropa seltene Pflanzen gedeihen werden - so ähnlich wie heute schon auf dem Gelände des Gleisdreiecks.

Kein Spielplatzgehege und keine Freizeitzentren sollen entstehen, sondern ein Ort des Müßiggangs und der Entspannung: Zukunftsvisionen dieser Art, die im Augenblick von Westberliner Seite aus recht utopisch und fast ein wenig rührend anmuten, entwickeln östlich der Mauer Mitglieder des Neuen Forums. Eine Initiative um die Ostberliner Architektin und Bildhauerin Franziska Lobeck will ein Projekt „Parklandschaft auf dem Gelände der ehemaligen Grenzanlage der Mauer von Berlin“ ins Leben rufen und damit einen ersten Vorschlag zur zukünftigen Nutzung des nun funktionslos gewordenen Todesstreifens machen. Die Idee sei ursprünglich von dem Künstler Manfred Butzmann gekommen, erklärte Franziska Lobeck gegenüber der taz und sei bereits im Verband Bildender Künstler und in einem treffen mit Westberliner Architekten vorgestellt worden.

Ziel der Projektgruppe ist es, den Raum hinter der Mauer ins Gespräch zu bringen und die politisch Verantwortlichen auf dieses Problem zu stoßen. Die Mauer soll in diesem Konzept nicht abgerissen werden, sondern als Schutz für ein entstehendes Biotop stehenbleiben und zugleich historisches Mahnmal wie Symbol für einen kommerzfreien Raum werden. Geteilte Straßen sollen wieder durchgängig sein, der Grüngürtel an diesen Stellen durch Brücken, Tunnel, Tore und Fußgängerüberwege verbunden werden. „Die Mauer kann zerfallen. Nur die Funktion zum Schutz der langsam wachsenden Parklandschaft muß bleiben“, heißt es in einer Presseerklärung des Neuen Forums. Sie könne auch bemalt, beklebt und beschrieben werden, meint Franziska Lobeck.

Das Neue Forum schlägt vor, einen „Landschaftsverschönerungsverein“ zu gründen, der alle Vorschläge in dieser Richtung bündeln soll. Die politische Administration in Ost-Berlin solle in Zukunft alle Bebauungsmaßnahmen offenlegen, damit Bausünden wie in der Vergangenheit verhindert werden. Vorbild für den Grüngürtel durch die Stadt sei auch die Lennesche Planung aus dem Jahre 1840, so Franziska Lobeck, die einen breiten Grünstreifen durch ganz Berlin vorsah. Lenne hatte damals ein allerdings nie verwirklichtes - Gesamtkonzept für Grünachsen durch ganz Berlin entwickelt, die sich vor allem an Gewässern entlangziehen sollten.

Heute, so glaubt das Neue Forum, sei nach der Öffnung der Mauer die einmalige Gelegenheit, an die Lenneschen Planungen anzuknüpfen. „Dieses Refugium wäre einmalig auf der Welt, denn es gibt keine Stadt, die einen vergleichbaren Raum hat und hätte, und es bleibt eine Geschichte lebendig, die nicht wie vielerorts nur durch düstere Mahnmale die Menschen an ihre Vergangenheit erinnert.“

kd