: Bitte komplettieren Sie selbst!
■ Besuch beim selbständigen Mittelstand in der Provinz
Gabriele Goettle
Unter dieser Überschrift, die jeweils beibehalten werden soll, beginnt eine Serie über den real existierenden Alltag in der DDR. Das „Komplettieren“ bezieht sich auf die Tasse Kaffee, die man an den Buffets bekommt. Mit Zucker und Milch, die dort bereitstehen, wird „komplettiert“. Es ist ein Standardsatz, und er schien uns ausgesprochen symbolhaft fürs Ganze zu stehen.
Im Oktober schlug die Kulturredaktion uns eine Reise in die DDR vor, wir fanden eine Gastfamilie, beantragten das Visum und warteten drei Wochen. Am 20. November brachen Elisabeth Kmölniger und ich mit unserem VW-Bus auf, beladen mit unseren zwei Hunden, Bananen, Südfrüchten, Strumpfhosen, „Bac„-Stiften und dergleichen mehr.
20.11.8
Grenzübertritt problemlos. Lediglich der Mindestumtausch in der Staatsbank, einem kleinen Verschlag von etwa zehn Quadratmetern, war etwas aufreibend. Dem Polen, der seine Geldscheine zählt, wird gesagt: „Ihr lernt es nie, könnt immer noch nicht bis zehn zählen“, daraufhin klemmt ihm die Beamtin mit Raffinesse sämtliche Finger der rechten Hand, indem sie das Geldkästchen unter der Trennscheibe geschwind nach hinten reißt. Er schweigt und schreckt erst auf, als der nächste Kunde den Raum betritt und mit der Tür das oben aufgehängte Ensemble aus derben Kuhglocken scheppernd aneinanderstößt.
Die Fahrt in den Spreewald erfolgt im Schrittempo. Rückkehrerstau. Trabis und Wartburgs voll mit Familie, Plastiktüten, Kartons, in denen Stereo-, TV- und Videogeräte sind. Nach vier Stunden endlich Ankunft in der Dunkelheit. Der kleine Ort ist diskret beleuchtet, Straßenschilder rar. Einkehr in ein neonerleuchtetes Auslieferungslager vom Getränkekombinat. Eine Bank, ein Tisch mit Wachstuchdecke. Drei Arbeiter sitzen da und trinken Bier aus der Flasche. Am Schalter gibt man uns zwei Apfelsaft und erklärt den Weg. Gesprächsstoff ist die neu aus dem Westen erstandene Wandkarte. Sie zeigt Ortschaften, Wälder und Straßen aus der Vogelperspektive und reicht von der Nord- und Ostsee bis zu den Alpen. „Schweizer Qualität“, sagt ein Arbeiter, „da siehste jeden Baum“, und der andere, verträumt: „Ich möchte ja mal wirklich an den Bodensee, schön soll's da sein.“ Der dritte reibt Daumen und Zeigefinger aneinander, und sie lachen.
Unsere Gastfamilie besitzt einen Laden für Fahrradzubehör und betreibt eine Fahrrad- und Mopedreparaturwerkstatt. Wir finden die Adresse nun sofort. Das Schaufenster leuchtet wunderbar in der Dunkelheit, dazu genügen bereits die wenigen Lämpchen. In der Auslage schimmern Fahrradketten, Luftpumpen, Klingeln, Werkzeugtäschchen, Schlösser, Schläuche und Kugellager. Endlich findet sich auch die Klingel. Die Familie hat uns nicht mehr erwartet, ist aber nichtsdestoweniger sofort auf die neue Situation eingestimmt. Das Tor wird geöffnet, wir fahren in den Hof und können dort die Hunde frei herumspringen lassen.
Wenig später sitzen wir im Wohnzimmer bei 25 Grad Hitze, haben Hausschuhe bekommen und einen Schnaps. Schrankwand, Westfernsehen in Farbe, Video, Sitzgruppe, Aquarium und ein Biedermeiernähkästchen mit eingelegtem Elfenbeinornament. Das Paar ist stolz. Er im blauen Trainingsanzug mit Hornbrille, 67 Jahre alt, sie mit blonder Lockenperücke, schwarzer Strumpfhose, langem Pullover, ist etwas drall und Mitte 50. Sie waren bereits im Westen bei Verwandten im Märkischen Viertel. „Volle Läden, große Auswahl, viele Menschen, teure Preise“, so die Zusammenfassung. Die Edelstahlspüle in der Küche haben sie geschenkt bekommen, dafür die eigene aus braun emailliertem Metall rausgerissen und in den Hof gestellt. Vierzig Mark soll sie kosten, aber keiner will sie. Oben wohnt der jüngere Sohn mit Frau und Säugling, nebenan auf dem Grundstück hat er mit seinem Hausbau begonnen, aber das dauert noch Jahre, sagt die Mutter, es gibt ja kein Material.
Um 20 Uhr werden Nachrichten gesehen in der ARD. Montagsdemonstration in Leipzig. 250.000 Demonstranten auf dem Prager Wenzelsplatz. Die Gastgeber schütteln die Köpfe: „Wenn das nur gut geht.“ In Bonn hat sich ein Mann während der Zwangsräumung seiner Wohnung in die Luft gesprengt. Das findet wenig Anklang, klarerweise. Um Viertel nach kommt der erste Teil des Spielfilms über das Leben von Simon Wiesenthal, der Mann möchte ihn gern sehen, die Frau sagt: „Nee, also wirklich, sowas kann ich nicht sehen, da geh‘ ich lieber meine Bluse zu Ende nähen solang. Wissense, wir warn ja auch und ham uns das angesehen, Auschwitz, bei unserer Polenreise, noch am Anfang des Urlaubs. Das hätten wir lieber am Ende machen sollen, so furchtbar wie das war.“
Bereits nach der ersten viertel Stunde, der Mann hat sich und seinem pudelartigen Hund großzügig Bier ausgeschenkt, kommt er ins Plaudern. Angesichts der KZ-Szenen fällt ihm seine Kriegsgefangenschaft in Rußland ein. „Fünf Jahre in Lagern, Hunger, Kälte, Krankheiten. Nischt zu essen, nischt zum Anziehn.“ Die Leidensgeschichte übertrumpft die im Fernsehen gezeigte und etwas aus dem Blickfeld geratene. Dann springt ihm die Hündin auf den Schoß und läßt sich tätscheln. „Nun will ich das ja nicht vergleichen mit dem KZ, was die Juden da durchgemacht haben..., aber ich hab's ja auch irgendwie am eigenen Leib erfahren, Ahnung hab‘ ich schon. Später ging's dann besser, da sind wir mit dem Jeep vom Russen rumgefahren und haben alles mögliche transportiert.“
Der Film ist zu Ende, Frau S. kommt herunter, und es werden weitere Schnäpse konsumiert. Klagen über die Mangelwirtschaft. „Wir bekommen ja nichts. Zuerst kommt die HO und dann vielleicht die Selbständigen“, sagt die Frau und bringt uns ein Auftragsbuch. „Nu sehnse mal, da ham sie das ganze Jahr. Das ist die Bestellung, und hier alles durchgestrichen! Chinesische Fahrradschlösser. Kriegen wir nicht. Drüben im HO-Laden hängen sie aber.“ Herr S. wirft die Hündin vom Schoß und gerät in Rage: „Die ham doch alles in Westen verkauft. Wenn ich das schon höre, Ausverkauf unseres Staates droht, nee, im Gegenteil, der Ausverkauf geht schon seit Jahren, den ham die da oben selbst besorgt. Alles gegen Devisen. Und wo is‘ denn nu das Geld?“ Die Frau lacht und sagt: „Na, die können sie uns ja jetzt geben zum Reisen, die Devisen. Und sehnse mal, es ist doch so, die sind ja wie die Geier, die ham ja sogar unsere Mutterkuchen verkauft nach drüben in Westen.“ Wir sind verwundert und fragen nach. „Ja, ich weiß das genau, die verwenden das bei euch irgendwie für Creme, Placenta oder so, gegen Falten. Is‘ das nicht pervers?“ Herr Schmidt gießt sich ein und bemerkt voller Genugtuung: „Aber immerhin, der Krenz, der is‘ ja nu‘ ausgezogen aus seiner Elfzimmervilla in Wandlitz mit Edelholz und solche Dinger. Wohnt jetzt in so ein‘ Bungalow, ganz gewöhnlich, sagen sie. Das hat der sicherlich nicht leichten Herzens gemacht.“ Wir verabschieden uns und gehen schlafen in unseren Bus, wo es unter den Decken bald warm wird. Das angebotene Zimmer lehnen wir dankend ab, zuviel Umstände. * * *
Am nächsten Morgen Frühstück in der Wohnküche. Die Edelstahlspüle wird gewürdigt, ebenso die Semmeln vom Bäcker, der auch ein Privatgeschäft betreibt. Wurst, Schmalz, Marmelade, Käse. Die Wurst ist grau, aber wohlschmeckend. Farb- und Konservierungsstoffe sind glücklicherweise für die Metzger noch schwerer zu bekommen als Gewürze. Nebenan im Laden ertönt das Glöckchen, die ersten Kunden. Frau S. erhebt sich gemächlich: „Eigentlich bräuchte ich gar nicht gehn, sie werden es gleich sehen.“ Kurz darauf kommt sie wieder: „Hamwanich, hamwanich, das ist das Lied, das ich den ganzen Tag singe.“ Herr S. schenkt Kaffee ein und fragt: „Wat wolltense denn?“ Sie trinkt einen Schluck, lacht: „Schutzbleche für hinten. Na, der hat sie ja nich alle. Die ham wir seit einem Jahr nich mehr gesehen.“ Die Stimmung ist fröhlich. Der Mann verabschiedet sich und geht in die Werkstatt, Frau S. noch einmal erfolglos in den Laden. „Wissense, das ist jetzt ganz komisch“, flüstert sie uns zu, „früher mußte ich immer aufpassen was ich hier sage, damit nicht vielleicht ein Kunde was hört, auch mit Westfernsehn und so, die Wände hatte ja Ohren bei uns, und jetzt sitzt das immer noch drin in einem, manchmal guck ich mich direkt um. Man muß sich eben erst daran gewöhnen.“
Wir gehen, um uns den Ort anzusehen. Man hat uns ein Wirtshaus genannt im alten Bahnhof, wo wir unbedingt hin sollen. Diverse Einkäufe. In der Spreewalddrogerie gibt es neben Filmen von VEB Wolfen, 3 Mark 85 für 36 Bilder, auch noch Bohnerwachs, Kerzen, Kernseife, Badesalz und ähnliches. Man ist merkwürdig reserviert. Wir beziehen das natürlich auf uns, es stellte sich aber später heraus, daß wir es hier mit einer grundsätzlichen Haltung des Verkaufspersonals zu tun haben. Es gibt noch eine Kaufhalle, den Bäcker, ein weiteres Geschäft der HO, das neben Haushaltswaren auch Fahrradzubehör führt, dann einen Fotografen, Frisör und weitere kleine Geschäfte.
Auf dem Weg zur Bahnhofsgaststätte verlaufen wir uns und geraten zur Eingangstür einer LPG. Gleich daneben liegt ein großer Verkaufsraum, wie alle Läden und Wohnungen in der DDR ist auch er vollkommen überheizt. Es herrschen sicherlich an die 27 Grad. Wir gehn herum und betrachten das Angebot. Alles für Betrieb und Landwirtschaft. Gummistiefel, verschiedene gebündelte Einlegesohlen, graurot gesprenkelt, aus zerzupftem und gepreßtem Stoff, Saatgut, Dünger, Eimer, Wannen und Kannen aus China, warme Unterwäsche, Schaufeln, eine Maschine zum Zerquetschen von gekochten Kartoffeln für Schweinefutter, Regenumhänge und ein Euterpflegemittel mit der Aufschrift: „Abwaschbar. Nur für Tiere!“ Wir kaufen zwei Paar Einlegesohlen und einen roten Wasserkanister, der ziemlich nach Kunststoff riecht.
Der Weg zum Bahnhof verläuft parallel zur LPG. Ein Rohbau aus Betongerüsten steht mitten im gefrorenen Schlamm. Das sollten einmal Lagerhallen werden, bevor man beschloß, die Strecke stillzulegen. Das Bahnhofsgebäude ist wie alle alten Kleinstadtbahnhöfe - ein bißchen aus Fachwerk, die Uhr steht, der Verputz bröckelt. Die Gaststube ist voll und heiß. Wachstuch auf den Tischen, ein Bild mit Hirsch an der Wand, Arbeiter in Blau sitzen und essen, trinken Bier und rauchen. Links an den Tischen sind die Rentner plaziert und bekommen Mittagessen von der „Volkssolidarität“. Wir finden noch zwei Plätze am Tisch neben dem Kachelofen. Ein junges Paar in Arbeitskleidung ißt Gulasch und lächelt uns freundlich an. Die Tafel an der Wand gibt über Speisen und Getränke Auskunft. Alles ist mit Kreide geschrieben und schon leicht verwischt. Gemüseeintopf 1,45, Gulasch mit Klößen für 3,80 ist das teuerste, dazwischen gibt es noch Leber und Kartoffeln für 2.50. Ein Pils kostet 51 Pfennig, das Kännchen Kaffee 1.20. Wir bestellen einmal Gemüseeintopf, einmal Gulasch, dazu Apfelsaft. (Aha! Sehr interessant! d.S.)
Bald kommen wir mit dem jungen Paar ins Gespräch, wir tauschen Zigaretten, und sie erzählen, wie es im Westen war und daß sie nebenan in dem Betrieb arbeiten, der Rohkost herstellt für die HO Gaststätten. Sie verpacken gehackten Rotkohl, Weißkohl und Möhren, das, was es fast zu jedem Gericht in der DDR dazugibt und auf den Speisekarten unter dem Namen „Frischkost“ geführt wird. Die beiden klagen über defekte Heizung in den Arbeitsräumen, Gummihandschuhe gibt es nicht, so daß sie mit kalten Händen den ganzen Tag die kalte Frischkost abfüllen. Die Arbeit selbst ist kaum zu schaffen, sie machen Überstunden, weil einige Kollegen in den Westen abgehauen sind, deren Stellen nun mitausgefüllt werden müssen. Neben der vielen Arbeit sei aber auch das mit dem Geld ein Problem, denn durch die Überstunden kommen sie in eine andere Steuergruppe, so daß durch höhere Abzüge sich das zusätzliche Geld sozusagen aufbraucht, ohne daß sie etwas davon hätten. Unterm Strich bekämen sie manchen Monat sogar weniger. Umrechnung auf Urlaubstage oder Freizeit kennt man nicht, wäre auch bei diesem Personalmangel nicht zu realisieren. Sie lachen und sagen, daß alle sehr sauer seien, die Stimmung im Betrieb schlecht, so daß viele sich überlegen, ob sie nicht doch rübermachen sollen in den Westen. Das Paar jedoch will bleiben: „Wir müssen ja hier unser Eigenes aufbaun, was soll denn werden, wenn alle gehn?“ * * *
Wir machen uns langsam auf den Heimweg, noch lange durchgewärmt vom Kachelofen. Frau S. zeigt uns jetzt in Ruhe den Fahrradladen. Fragt, ob wir das Plumsklo am Bahnhof besichtigt hätten. Wir haben. Auf dem Verkaufstisch, der sich mit gebogenen Glasscheiben um die Ecke bis zum Fenster hinzieht, steht majestätisch eine goldfarbene Registrierkasse aus den 20er Jahren. Man gibt eine Summe ein, drückt, und mit klingendem Spiel fährt einem die Kassenlade vor den Bauch. In den Holzregalen ist alles kunstvoll aufgebaut, was zu haben ist. Seitlich auf dem Boden stehen Reifen mit dicken Profilen aus schwarzem Gummi. Darüber in einem Fach liegen die Fahrradsättel aus stabilem gelbem Leder mit enormen Federn gepolstert. Ein Metallschildchen des VEB ziert die Rückseite. Dieses komfortable Produkt wird leider nicht in den Westen exportiert. Es riecht nach Gummi, Leder und Schmieröl. Wir geraten ins Schwärmen, und Frau S. reißt mit zunehmendem Stolz kleine Päckchen auf, um uns den Unterschied zwischen Ost- und Westschläuchen vor Augen zu führen, der besonders an den Ventilen eklatant wird. Die Ostventile sind zwar keine Blitzventile, dafür aber auf dicksten Gumminoppen aufgearbeitet.
Im Hof erklingt eine Autofanfare. Es ist der ältere Sohn mit seinem alten Trabi und neuer Westhupe. Man versammelt sich in der Küche, Kaffee wird gekocht, der junge Mann zieht seine Arbeitsjacke aus, er ist nur eben mal kurz vom Betrieb herübergefahren. Voller Empörung erzählt er von einem kleinen Unfall, den sie vorhin hatten mit dem Lastwagen. Es sei ihnen ein Schaumstoffrolle runtergefallen auf einen hinter ihnen fahrenden Trabi, der Fahrer habe Anzeige erstattet, und nun müsse man eben sehen, was daraus wird. Frau S. erklärt uns: „Da ham Sie mal ein gutes Beispiel. Sowas ham sie bestimmt noch nich‘ gehört. Also mein Sohn, der arbeitet in Cottbus im Postermöbelkombinat. Da geht es drunter und drüber, nich‘? Neulich zum Beispiel, da ham sie, ich weiß nich, 3.000 Holzgestelle bekommen aus der Tschechoslowakei, also solche Rahmen, sagen wir mal, die werden dann gepolstert und bezogen, alles Sofas. Jetzt denken Sie mal, was passiert: Die Rahmen passen nich‘ mehr, weil sie ein neues Modell schon machen, die stehen also im Lager, und da kommen die Rahmen für das neue Stück, was passiert, sie müssen ja Platz schaffen, da räumen sie das Lager aus, und alles soll auf die Müllkippe. Das ganze schöne Holz, vollkommen neu. Hinten im Garten liegt was, das können Sie mal besichtigen. Wir werfen es jetzt in die Heizung. Der größte Teil ist eingebaggert worden auf der Halde. So sieht das nämlich aus bei uns mit der Volkswirtschaft.“ Der Sohn lehnt am Küchentisch, ißt ein Leberwurstbrot und beginnt zu erzählen:
„Und das geht ja noch weiter. Heute und morgen fahren wir den Schaumstoff. Du kannst ihn haben. Das sind teilweise so dicke Dinger, Platten, manchmal sind es dünne Würstchen. Und eigentlich, der Schaumstoff, wenn das jetzt so ein Block ist, dann wird der mit dem Bandmesser durchgeschnitten auf die Formate, die Stücke werden rausgenommen, und was so drumrum ist, die Würste und so, das hat man ja auch nich‘ mal weggeschmissen früher, das wurde verflockt. Immer ist verflockt worden, im Zweischichtverfahren, soll auch heute noch so sein, so jedenfalls steht es in der Zeitung. Die Wahrheit ist, daß man nicht mal im Einschichtsystem verflocken kann, weil die zwei von der Maschine zum Beispiel auch in den Westen gegangen sind. Jetzt kann man das Ding in die Ecke stellen. Ebenso die Maschine, mit der aus den Resten vom PUR-Weichschaum wieder Schaumstoffplatten hergestellt werden sollten, sol che Verbundschaumgummiplatten. Nichts ist.
Und wir kriegen am Freitag 19.000 Federkerne von drüben, und da braucht man eben freie Flächen im Lager. Also fliegt der ganze Segen weg. Wir sollen das jetzt auf die Kippe fahren, nicht nur die Reste, auch das ganze andere Material, weil's ja nicht paßt und so. Normalerweise wird das auf der Halde eingeschoben, aber diese Masse, die dort hingeht heute und morgen - die kann man ja einschieben wie man will, den Schaumstoff kannste ja nich‘ verdichten mit der Raupe, der dehnt sich ja immer wieder aus, wenn sie runter ist. Und das verrottet ja auch nicht, das Zeug.“
Mutter: „Und teuer ist der Schaumgummi. Wenn man was sucht, da gibt's nichts. Und die kriegen ja auch für die Englandgarnitur. Nur besteht der Engländer darauf, daß es nicht brennbar sein darf. Das können wir aber nicht in der DDR erzeugen, nun kommt der Schaumstoff aus England...“
Sohn: „Aber was wir jetzt wegfahren, da hab‘ ich teilweise englischen mit dabei, aber nicht viel. Ich hab‘ gesagt, tut den doch irgendwie in die Forschung zur Analyse und so, damit wir sowas vielleicht auch mal selbst herstellen können, das muß man doch irgendwie verwerten können. Aber nee, sie sagen, was denn, wer soll denn das machen? Gestern habe ich drei große LKWs besorgt, Leute gibt's ja bei uns auch nicht, so, und nun laden wir 3.000 ab. Und am Donnerstag kommt das nächste Ding! Da werden die ganzen neuen Schrauben, Nägel und Muttern - noch original verpackt sind die... -, die gehen auf den Schrott.“
Mutter: „Warum nu‘ das?“
Sohn: „Na was denn, wie immer. Im Buchwert Null. Abgeschrieben! Ich darf die Nägel und so aber nicht in den Laden bringen. Nicht für 'ne Tüte Kaffee, nicht für umsonst. Dann habe ich mich bereichert an sozialistischem Eigentum. Unser Betrieb kann es auch nicht verschenken an einen anderen Betrieb, der das vielleicht gut braucht. Nee, niemand kann da je wieder einbuchen, das Zeug existiert an sich gar nicht. Sag‘ ich, verschenken wir es doch an die Werktätigen, das ist ja nu‘ Mangelware. Aber geht nicht, darf nicht sein!“
Der Vater, der vor einer Weile in die Küche kam und schweigend zugehört hat: „Man kann es ja vielleicht wegwerfen, zum Schein, und dann sagen, wo es liegt.“
Sohn: „Na mal sehen. Ich will soviel es geht mal retten, aber das sind ja riesige Mengen. Ich werde jetzt in den Betrieb fahren, und da rufe ich die Leute vom Neuen Forum an, die sollen mal jemand schicken. Ich könnt‘ ja nun auch mal kommen und das in eurer Zeitung schreiben, vielleicht liest es jemand von uns, der was zu sagen hat.“
Der Sohn verabschiedet sich. Er hinkt. Das sei auch so eine Geschichte, sagt die Mutter. Gefallen sei er, im Betrieb, und dann im Krankenhaus habe man ihn geröntgt, es sei aber ein Bruch gewesen. Nun warte er schon seit Monaten auf einen Termin in Buch, jetzt gehe aber schon gar nichts, wegen Ärzte- und Schwesternmangel.
Alle sind wieder an der Arbeit, und wir sitzen in der Küche. Die Mutter kommt mit einer Zeitung und legt sie aufgeschlagen vor uns hin. Ein Artikel über die Firma des Sohnes. Unter der wunderbaren Überschrift „Bei POCCO wird viel überlegt und dann auch gehandelt“ beschwört ein Mario Behnke die besondere Innovationsfreudigkeit des Kombinats herauf. Der Betriebsdirektor Norbert Sinnigen habe erklärt, daß bis zum Ende des Jahres die dreischichtige Auslastung der Verbundschaumanlage erreicht werden könne. Jener Anlage, mit der aus Schaumstoffabfällen, die verflockt wurden, dann neue Schaumstoffmatten hergestellt werden sollten. Jener Anlage also, die gar nicht betrieben wird.
Die Mutter nimmt die Zeitung und liest süffisant vor: „Ein anderes Problem für den Betrieb sind fehlende Zulieferungen von Nadelschnittholz aus der UdSSR. So muß im Inland frisch eingeschlagenes Holz in großen Mengen für die weitere Verarbeitung aufbereitet, also zunächst getrocknet werden. (...) So kommt es teilweise zu Drosselungen der Produktion, weil nicht ausreichend Holz zur Verfügung steht.“
Frau S. biegt sich vor Lachen, uns dreht es sich im Kopf. „Nu‘ kommen Sie mal mit, das muß ich jetzt doch vorführen!“ sagt sie, immer noch enorm erheitert, und geleitet uns hinaus, die Treppe hinunter in den Heizungskeller. Dort liegt neben dem Haufen Braunkohlebriketts einer aus Holz. Sie zieht ein Brett heraus und reicht es uns. Ich nehme an, es ist Kiefer, jedenfalls hat das gehobelte und leicht glänzende Brettchen an beiden Enden Stege für die Schwalbenschwanzverbindung, es ist schwer und trocken. Frau S. nimmt es mir aus der Hand, öffnet die Ofenklappe und wirft es hinein. „Ist sowas nicht traurig?“ sagt sie und lacht.
Zur Erholung besichtigen wir die Fahrradwerkstatt. Vater und jüngerer Sohn arbeiten gemeinsam an einem gelben Moped von der Post. In der Ecke steht ein Volksempfänger, auf den Werkbänken liegen säuberlich geordnet Schraubenschlüssel und diverse Gerätschaften, in dunklen Holzregalen ist das wertvollste Material gestapelt: Ersatzteile. Die Hitze im Raum ist wiederum beträchtlich, das Licht hingegen schlecht. Es ist eine richtig altmodische Werkstatt, so wie sie den Westler anheimelt und den Ostler auf die Palme bringt, weil es an hunderterlei nützlichen Dingen fehlt. In der Ecke stehen etwa ein Dutzend Fahrräder. „Die gehören uns“, erklärt Herr S., „die leihen wir im Sommer aus an die Spreewandtouristen. Momentan ham sie die Russen gehabt, die hier auf der Kolchose gearbeitet haben.“ * * *
Wir kehren ins Haus zurück. Frau S. besteht darauf, uns die oberen Räume zu zeigen. Die Schlafzimmertür der „Kinder“ bleibt zu, weil die Schwiegertochter „komisch“ ist damit, „bei der sind mittags oft noch nicht mal die Betten gemacht“, flüstert Frau S. Ansonsten überdachte Terrasse, sie wird benutzt als Trockenboden, und ein privates Zimmer von Frau S.
Gemeinsam bereiten wir das Abendbrot vor, decken den Tisch. Der ältere Sohn wird erwartet. Er wohnt mit seiner Frau in Cottbus, „da hat er mit seinem Bein auch nichts zu lachen, jeden Tag in den 7.Stock und kein Aufzug“. Frau S. erzählt von den Russen, die hier gearbeitet haben. Junge Leute seien das gewesen, ganz nett. „Aber mit den anderen haben wir nichts zu tun. Die in der Kaserne sind, die kommen nie raus, jedenfalls nicht alleine. Das geht ja auch nicht. Die würden hier alle Frauen und Mädchen vergewaltigen, das ist eben so. (Das ist, so schrecklich es ist, auch nicht verwunderlich, wenn sie unter solchen Bedingungen einkaserniert werden. d.S.in) Manchmal gehen sie geschlossen spazieren mit einem Vorgesetzten. In Cottbus haben die Russen einen Laden, da konnten wir auch rein. Da gibt es alles, wirklich, die Sachen, die sonst im Intershop kosten. Dort hat man sie bekommen zu Delikatpreisen... Ach so, das wissen Sie ja nicht, Delikatläden bei uns, da bekommt man dann auch mal was Besseres, was es sonst nicht gibt, beispielsweise Zunge, aber eben veredelt, also geräuchert. Kostet ein wenig mehr, aber eben für Ostmark.“
Der Sohn kommt, der Vater geht in die Dusche und kehrt im blauen Trainingsanzug, nach Rasierwasser duftend, zurück. „150 Mark habe ich heute eingenommen“, sagt Frau S. und schenkt allen Tee mit Rum ein. „Na, was soll sein, wenn nischt da ist zum Verkaufen?“ erwidert der Vater und sagt, zum Sohn gewandt: „Du, Junge, denk daran, daß dein kleiner Bruder baut, der braucht noch so viele Nägel in den nächsten Jahren...“ Der Sohn erhebt sich vom Tisch: „Hab‘ doch schon welche draußen im Auto.“ Nach einer Weile kommt er wieder mit einer Packung aus derbem Karton, in der kiloweise mittellange Nägel mit breiten Köpfen sind. Hunderte solcher Päckchen sollen weg. Der Sohn wiegt ein Häufchen in der Hand: „Was da nun drinnesteckt, der Rohstoff, die ganze Energie und Arbeit, alles, für gar nichts. Sowas gibt's wohl bei euch im Westen nicht, so eine Vergeudung?“ Wir überlegen kurz, und es fallen uns die Lastwagenladungen von Obst und Gemüse ein, die in der EG auf den Müll gefahren werden. „Warum nu‘ das?“ fragt die Mutter erstaunt. „Damit die Preise nicht verfallen“, sagen wir zögernd, aber der Vater ist großzügig: „Na, dann hat das wenigstens noch irgendeinen Sinn, jetzt egal... Aber das andere ist ja einfach nur plemplem!“
Man wechselt das Thema. Der Sohn erzählt aus dem Westen: „Ich war ja drüben, gleich als sie aufgemacht haben. Das werde ich nie vergessen... das ist auch sowas... was sie uns als Kinder erzählt haben vom häßlichen, bösen Kapitalisten, das ist ja eine blanke Lüge. Abends um achte war's, Menschen über Menschen... Transparente mit 'Herzlich Willkommen‘ und so. Fremde haben uns umarmt. Einer kam an uns ran, gab mir die Hand und hat geheult. Ich dachte, sowas kann doch nicht wahr sein...“
Vater: „Nu‘ warte mal ab, das geht ja nicht ewig so, daß wir denen drüben die Parkplätze vollstellen und überall Schlangen bilden, die ham bald genug von dem Gewürge mit uns.“
Sohn: „Klar doch, ist ja verständlich. Aber es ist ja nicht nur, daß man ansteht, oft isses gar nicht voll. Ich war bei Wertheim, alles leer. Schau mich um, wollte so eine Spachtelmasse kaufen für meinen Trabi, denke, was denn? Heiliger Bimbam! 45 Sorten! Was soll ich denn jetzt machen? Kommt eine Verkäuferin auf mich zu und sagt: 'Tschuldigung, kann ich vielleicht helfen?‘ Ich sage, ganz agressiv: 'Was wollen Sie?!‘ Man is‘ ja sowas von uns her gar nicht gewöhnt. Freundliche Verkäuferinnen, das gibt's hier nicht! Hier heißt es: 'Nimm oder verzieh‘ dich.‘ Au, sag‘ ich zu ihr, ich muß mich entschuldigen, ich war so in Gedanken...“
Mutter: „Sein Auto fällt auseinander, da muß er ganz schön viel Spachtelmasse kaufen, daß das hält. Den hat er ja schon gebraucht gekauft, was? 19 Jahre war der alt. Das ist ja so bei uns, man wartet auf einen neuen fünfzehn bis siebzehn Jahre. Nun denken Sie mal, der Junge stellt mit achtzehn seinen Antrag, denn hatter mit Mitte 30 vielleicht seins, da stellt die Oma einen, der Onkel, alle, damit was vorwärts geht.“
Sohn: „Du, ich hab‘ gehört, da sollen 100.000 Videogeräte kommen von den Japanern, was? Sollen wohl 7.000 kosten, aber wo krieg‘ ich die her? Müssen wir uns da irgendwo anmelden oder was?“
Vater: „Das kriegen doch wieder nur die ganz oben, die treuen Genossen...“
Mutter: „Nee, das ist nicht richtig. Egon Krenz hat gesagt, es soll für die Bürger sein... Das ist jetzt nicht mehr so, geht ja gar nicht! Bedenke mal, der ist ja selbst auch ausgezogen aus Wandlitz in ein ganz kleines Haus...“
Vater: „Das ist doch alles nur dummes Gerede, daß die jetzt ihre Privilegien freiwillig... Hat ja lange genug gelebt in seiner Zwölfzimmervilla am See mit Edelholz.“
Mutter: „Im Stasigebäude in Cottbus wird ja nu‘ auch alles frei...“
Sohn: „Stasi in die Produktion! Die können mir ja nun den Schaumstoff verflocken, von mir aus mit den Fingern. Was Arbeit ist, das wissen die ja nicht. Das wird noch was werden, die umzuschulen.“
Vater: „Da kannste ein Lied von singen. So, jetzt kommt mal alles vielleicht in Ordnung.“
Man erhebt sich, der Sohn verabschiedet sich, und wir machen für den nächsten Morgen eine Betriebsbesichtigung aus. Er will vorher noch mal anrufen, muß erst alles vorbereiten.
Wir gehen rüber ins Wohnzimmer, es ist Zeit für die Nachrichten. Diesmal nichts Erregendes. Es hat bei den Polizeieinsätzen in Prag nun doch keinen Toten gegeben, der Journalist, der die Meldung ans Ausland weitergegeben hat, ist in Haft, der vermeintlich Tote wohlauf. Kein Thema.
Wir reden wieder über den Westen. Die beiden waren auch bei Beate Uhse im Sexshop. Aber es stellt sich bald heraus, daß sie über dieses Niveau längst hinaus sind. Frau S.: „Na, ich will mal so sagen. Wir haben ja schon seit Jahren diese Dinge gehabt, so im kleinen Kreis. Das hat angefangen damals mit den Bildern... Wann war das, Vater?“
Vater: „Na so Mitte 70 muß das gewesen sein.“
Mutter: „Also da hat mal einer von der Grenze vom Zoll, ein Bekannter von uns, der hat da beschlagnahmt und das nicht gleich abgegeben. Hat es über Nacht mitgenommen, und da haben sie doch im Chemielabor nachts noch die Abzüge gemacht. Morgens hat er dann alles an die vorgesetzte Stelle weitergereicht. Und was die nun... wer weiß. Jedenfalls, die haben wir dann, eben so unter engen Bekannten, verteilt, und das war ganz was Besonderes.“
Vater: „Und dann war das ja dann mit den Filmen. Projektor haben wir angeschafft, oben steht er noch, und dann gingen die Dinger reihum, alles natürlich ganz verschwiegen, war ja verboten. Das waren so Filme aus Schweden und Dänemark in Farbe, mit Ton. Man war ja ganz wild auf sowas...“
Mutter: „Und seit einiger Zeit, da haben wir ja den Video dort und auch ein paar Filme von unseren Bekannten im Westen. Neulich haben sie uns grad wieder... Das ist ja nun ganz was anderes von der Qualität her (? - Ich dachte, das wäre immer das gleiche! d.S.), kann man sagen. Und wir hier, bei unserem schlechten Empfang... ja, und da tauschen wir auch hier mit Freunden, die haben sich nun auch alle eins angeschafft, das lohnt sich ja wirklich.“
Vater: „Na, da gibt's ja harte Dinger bei euch, hab‘ ich gesehen, da ist nun für uns wieder nichts, so auf die Brutale, nee, aber so ganz was Feines... (kichert), das kann mir schon gefallen.“
Bevor sie Anstalten machen, uns womöglich einen vorzuführen, verabschieden wir uns und gehen unter die Dusche. Das Badezimmer ist überhäuft mit Westartikeln, Fenjal, Duschdas, Ariel, Blendax, Nivea, Rasiercreme usw. Auf dem Schrank prangt eine leere Riesenflasche Lenor. Die Duschkabine haben sie selbst gebaut aus Glasbausteinen. Ebenso die kleine Sauna aus Holz, in der gerade zwei Personen Platz finden. Jedes Wochenende gehen sie rein, geheizt wird mit Kombinatsholz.
Am nächsten Morgen gehe ich um sieben zum Bäcker, die Brötchen holen. Ein wunderbarer Duft erfüllt den Verkaufsraum. In den Regalen liegen große Brotlaibe mit rissigen, aufgesprungenen Krusten, mehlbestäubt. Daneben Kuchen mit Mohn oder Nußfüllung nach Wahl, überzuckert und in Kastenform. Es gibt „Marzipankartoffeln“ aus Persipan, gefüllte Streuselstücke, Schnecken mit dicker Glasur und Blechkuchen mit Zucker, Äpfeln oder Streuseln. Alles sieht aus, als hätte die Oma es gerade aus dem Backofen gezogen. Die Bäckerin ist jung, blond und verdrießlich. Füllt die Doppelsemmeln in das bestickte Beutelchen von Frau S. und kassiert wortlos, pro Semmel 15 Pfennige. Als ich hinausgehe, stürzt gerade ein älterer Mann ziemlich hart auf der Treppe zum Laden. Ich helfe ihm auf, er reibt sich die Hüfte und sagt zur herbeigelaufenen Bäckerin: „Na, ihr könnt ja bei dem Glatteis ruhig mal ein bißchen was streuen hier!“ Worauf sie die Schultern zuckt und brummt: „Ich habe ja grad vorhin gefegt, man kann ja auch aufpassen, wohin man tritt.“ Das ist der Tonfall, dem wir überall in der DDR begegnen werden beim Verkaufspersonal, ob nun staatlich angestellt oder privat.
Zu erwähnen ist noch die vorzügliche Qualität der Brötchen, schwer und dicht, nach Hefe duftend. Man kann sie noch viele Tage später aufbacken, ohne Einbuße am Geschmack. Nach dem Frühstück ruft der Sohn an aus Cottbus, es gehe nun doch nicht mit der Besichtigung, die Kollegen hätten erst zugestimmt und dann plötzlich Bedenken gehabt, weil ja immer noch alles eigentlich Betriebsgeheimnis sei, darüber habe es ja für jeden die Belehrung gegeben, nun müsse er sich der Mehrheit beugen. Der Mutter ist es peinlich, aber wir versichern, daß ja ohnehin die Geschichte das eigentlich Wesentliche ist und ob wir nun die Hallen und Lager sehen oder nicht, das sei nicht so wichtig.
Dann verabschieden wir uns für die nächsten Wochen und fahren nach Cottbus um uns polizeilich anzumelden, was nach der Vorlage des ausreichenden Mindestumtausches reibungslos funktioniert. Nun sind wir also berechtigt, überall hinzufahren, und müssen lediglich vor unserer Ausreise nochmals hier her, um uns polizeilich abzumelden.
Im Kaufhaus „Konsument“, einem dreistöckigen Neubau mit solch starker warmer Lüftung am Eingangsbodenrost, daß einem die Haare hochfliegen, kaufen wir warme Unterwäsche. Langärmelige Hemden aus China, feste Baumwollqualität, und etwas dünnere lange Unterhosen aus dem VEB Untertrikotagen „Spree“. Nach einem kleinen Rundgang durch die Haushaltswarenabteilung, wo es von hölzernen Kochlöffeln in noch nie gesehenen Varianten nur so wimmelt, wo „flotte Lotten“ verzinkt mit Holzgriff locken und große Reiben, treten wir wieder hinaus in die Kälte, um nach Dresden zu fahren.
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