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DDR-Parteien eröffnen den Wahlkampf

■ Auf ihren Parteitagen haben SED, CDU und Demokratischer Aufbruch die Weichen für den Wahlkampf gestellt / SED hängt sich ein „PDS“ an - als Partei des demokratischen Sozialismus / Ost-CDU vertraut auf Wahlkampfauftritte bundesdeutscher Prominenz

Berlin/Leipzig (ap/taz) - Wahlkampf in der DDR: Die SED traf sich in einer Sporthalle, die CDU in einem Kino und der Demokratische Aufbruch hinter der Fassade eines Pelzgeschäfts. Überall ging es um Neubeginn; überall waren die westlichen Parteien - und vor allem ihr Geld - als heimliche Adressaten oder Angstgegner dabei.

Mit der Verabschiedung eines vorläufigen Statuts und einem Appell des Parteivorsitzenden Gysi ging gestern der Sonderparteitag der SED zu Ende, deren Name künftig den Zusatz PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) führt. In einem Schlußdokument wurde die Partei zum intensiven Einsatz im bevorstehenden Wahlkampf aufgerufen. Die SED sprach sich dort auch für die Durchlässigkeit der Grenzen in beiden Richtungen aus, nachdem der DDR-Botschafter in Warschau kritisch auf diskriminierende Tendenzen gegenüber polnischen Reisenden hingewiesen hatte. Erst auf dessen Intervention hin war die entsprechende Passage in die Schlußresolution aufgenommen worden.

In einer zweieinhalbstündigen Rede hatte Gysi sich unter anderem gegen die Vereinigung der beiden deutschen Staaten und gegen deutsch-nationale Töne gewandt. Gysi versprach die Abkehr von preußisch-militaristischen Traditionen. Ironisch ging Gysi auf die derzeit ablehnende Haltung der SPD gegenüber der SED ein. Die SPD habe sich mit der Honecker -Führung offensichtlich besser verstanden als mit der demokratisch legitimierten neuen Parteiführung. Doch möglicherweise sei in Zukunft ein Bündnis mit der SPD nötig. Man dürfe „da nichts kaputtmachen“.

Das neue Statut, in dem sich die Partei zu kommunistischen, sozialdemokratischen, antifaschistischen und sozialistischen Tradition bekennt, soll bis zum nächsten Parteitag gültig sein. Das neue Programm soll erst auf dem nächsten ordentlichen Parteitag vorgelegt werden. Offenbar wurde der vorgelegte Programmentwurf an der Basis so stark kritisiert, daß an eine Verabschiedung nicht mehr zu denken war.

Die CDU der DDR schaffte in zwei Tagen eine Annäherung an die schwarzen Schwestern im Bundesgebiet: weniger mit dem Bekenntnis zur ökosozialen Marktwirtschaft und zur deutschen Einheit als mit einer klaren personalpolitischen Entscheidung hat sie sich als wichtiger Ansprechpartner der Bonner CDU Fortsetzung auf Seite 4

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Zentrale profiliert. Auf Vorschlag des mit großer Mehrheit wiedergewählten Vorsitzenden Lothar de Maiziere wurde mit dem Oberkirchenrat Martin Kirchner eine Vertrauensperson Volker Rühes als Generalsekretär eingesetzt. Kirchner sagte, er erwarte jetzt auch Prominenz der West-CDU im DDR -Wahlkampf. De Maiziere und Kirchner stellten aber auch klar, daß es zur Anerkennung der polnischen Westgrenze grundlegende Differenzen zur CDU/CSU gibt. Ebenfalls gut besucht von Bonner Prominenz war der Gründungsparteitag

des Demokratischen Aufbruchs in Leipzig. Die Wiedervereinigung war neben einem neuen Wirtschaftskonzept Hauptthema des Treffens der Oppositionsbewegung um den Ostberliner Pfarrer Rainer Eppelmann und den Anwalt Wolfgang Schnur. Dabei zeigten sich unter den Delegierten fast unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten.

Am Sonntag stimmten die Delegierten dann mit neun Gegenstimmen für eine Präambel im Programm, in der die Verankerung des Rechts zur deutschen Einheit in der DDR -Verfassung gefordert wird. Außerdem wurden eine paritätische betriebliche Mitbestimmung sowie unabhängige Gewerkschaften mit Tarifautonomie und Streikrecht verlangt.

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