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Senatorisches Familienalbum

■ Die Landesbildstelle dokumentiert ihre fotografische Arbeit der 80er Jahre

Die Idee leuchtet ein. Die Landesbildstelle ist eine Institution des Kulturhaushalts, die seit Jahr und Tag nicht nur Schautafeln für den Biologieunterricht und Landkarten für die Erdkundestunde beherbergt, nicht nur die Lehrfilme für die kommenden Naturforscher und Medienberater bereithält, sondern auch versucht, vom Tagesgeschehen fotografische Bilder anzufertigen, auf daß die Geschichte in dieser Stadt wenig

stens in ihrem Archiv Spuren hinterläßt. Jedes Jahr, wenn es sich so langsam neigt, rekapitulieren die Bildhüter, was sie denn geknipst und stellen die fotografische Ernte des Jahres in einer Ausstellung der Öffentlichkeit vor.

So begab es sich dieses Jahr, daß sich gleich eine ganze Dekade neigte und die Überlegung lag nahe, die Jahresausstellung diesmal dem Jahrzehnt zu widmen und dabei gleich einmal auszuprobieren, wieweit die Frucht des Fotografenwesens der Landesbildstelle denn taugt, um in lebendigen Bildern die Geschichte der Stadt zu dokumentieren und wiederauferstehen zu lassen.

Um es vorwegzunehmen: sie taugt nicht. Wahrscheinlich wird man mir hier gern widersprechen, aber was hat mit der Geschichte dieser zehn Jahre zu tun, daß der Bürgermeister der Stadt 1980 wie Koschnick aussah und eine Brille trug und der 1990 wie Wedemeier aussieht und auch eine trägt.

Die ausgestellten etwa 250 von etwa 25.000 archivierten Fotografien der letzten 10 Jahre kreisen in ihrer überwiegenden Zahl um sprechende Köpfe, die als Fotografie nur noch stumm sind. Senatsempfang hier, Festessen dort, überall beschränkt sich das fotografische Interesse darauf, zu dokumentieren, wer dabeigesessen hat. Diese Art biederst denkbarer Pressefotografie ist (noch?) zeitlos, keiner Veränderung unterworfen und deshalb spricht sie nicht.

Eröffnungsredner Horst Werner Franke mit dem sonnigen Gemüt des Scheidenden („Ich bin ja besonders geeignet für Rückblicke“, Franke) sieht das selbstverständlich ganz anders. Schon weil er so oft auf den Fotografien zu sehen ist, sind die Bilder für ihn mit Signifikaten aufgeladen wie ein familiäres Fotoalbum, in dem man blättert, um sich die Stichwörter für das große Episödchen-Erzählen zuzuwerfen.

Und an solchen biedermeierlichen Überresten aus einer alten Welt hängt er ja, der BiWiKu-Senator, weil er in ihnen Geschichtlichkeit entdeckt, jenes Wissen um die Wurzeln des Bestehenden, ohne das, wie er glaubt, die Moderne zerstörerisch sei.

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Landesbildstelle, Uhlandstr. 53.

Bis 30.1.90, werktags, 9-16 Uhr, Fr., 9-14 Uhr

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