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Mitzscherling gibt sich nun knallhart

■ Senat darf Stromtrassen-Frage nicht vertagen, fordert SPD-Senator Mitzscherling / Schreyers Konzept „sinn- und vertragswidrig“

Was auch immer sonst heute in der Senatssondersitzung passiert, auf die abschließende Entscheidung zur Stromtrasse will SPD-Wirtschaftssenator Mitzscherling nicht länger warten. Er erwartet, wie er gestern sagte, eine endgültige Entscheidung - und zwar für sein Konzept. Die abgespeckte Ausbauvariante für die Trasse, die Umweltsenatorin Schreyer am Freitag vorstellte, sei „sinnwidrig, vertragswidrig“ und bringe „keine ökologischen Vorteile“, erklärte der SPD-Senator.

Seit klar ist, daß die für heute angesetzten Entscheidungen über Stromtrasse und Deutsches Historisches Museum sich zu Koalitionsfragen auswachsen werden, wird auch Mitzscherling unruhig. Auf einer gestern eilig einberufenen Pressekonferenz verlor der sich sonst so distinguiert gebende Wirtschaftssenator fast die Beherrschung: „Ich finde es unglaublich, was hier passiert“, erregte er sich mit Blick auf die AL und ihre Umweltsenatorin Michaele Schreyer.

Sein Vorschlag, nur im Spandauer Forst und auf den letzten 500 Metern Masten für eine Freileitung aufzustellen, ansonsten aber ein Erdkabel zu verlegen, sei schließlich bereits ein Kompromiß, sagte Mitzscherling. Immerhin verschlinge diese Variante rund 350 Millionen Mark. Er, so Mitzscherling weiter, hätte auch eine komplette - und weit billigere - Freileitung für „möglich“ gehalten. Mit ihrem neuen Konzept, statt einer 380-Kilovolt-Leitung lediglich zwei 110-KV-Kabel zu verlegen, habe Schreyer nachgekartet, noch „einen Zahn“ zugelegt, schimpfte der Senator.

Noch in diesem Winter müsse die Bewag mit den Rodungsarbeiten beginnen, wolle sie nicht in Zeitverzug kommen, drängte Mitzscherling weiter. Er selbst fürchtet offensichtlich um seine Glaubwürdigkeit in der Wirtschaft, die sehnsüchtig auf die billigen, westdeutschen Stromlieferungen wartet. „Ich weiß nicht, wie wir das der Bevölkerung noch klarmachen können“, umschrieb er die Sorge um sein Standing bei den Berliner Unternehmen. Schreyer wiederum hatte ihr 110-Kilovolt-Konzept vorgelegt, um die AL -Basis zu besänftigen, die im September die Stromtrasse komplett abgelehnt hatte.

Vordergründig wird jetzt über technische Details gestritten. Den Vorteil, den Schreyer an ihrem Konzept rühmt - die niedrigere Übertragungskapazität einer 110-Kilovolt -Leitung -, betrachtet Mitzscherling als Nachteil: „Warum sollen wir einen Trabi nehmen, wenn wir einen Mercedes bekommen können?“ fragte der SPD-Senator. Schreyers Variante sei zwar mit knapp 300 Millionen Mark billiger. Mit ihrer begrenzten Leistung von 400 Megawatt sei es jedoch nicht möglich, sowohl eine Sofortreserve für das Westberliner Inselnetz vorzuhalten als auch die vereinbarten Dauerlieferungen durchzuschleusen. Dieser technische Nachteil gefährde auch die Verträge mit der DDR, meinte der Senator. Die Transitgebühren, die Ost-Berlin kassieren kann, bemessen sich nämlich danach, wieviel Strom durch die West -Ost-Trasse nach West-Berlin fließt.

Die Energie-Experten der Umweltsenatorin widersprachen auf taz-Anfrage Mitzscherlings Darstellung. Es sei sehr wohl möglich, auf der 110-KV-Leitung sowohl Sofortreserve als auch Dauerlieferungen unterzubringen. Mitzscherlings Problem sei eher „der fehlende politische Wille“, sich mit der neuen Variante ernsthaft zu befassen.

hmt

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